Geburtshilfliche Gewalt, ein unsichtbares, aber häufiges Übel in Spanien

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Geburt Gewalt Spanien
Image by Madlen Deutschenbaur from Pixabay

Obwohl das Thema scheinbar erst kürzlich an Bedeutung gewonnen hat, reicht der Begriff „geburtshilfliche Gewalt“ weit zurück. Bereits 1827 wurde er in einem Bericht der medizinischen Fachzeitschrift The Lancet über eine Londoner Konferenz erwähnt. Dort kritisierte der Geburtshelfer James Blundell, bekannt für die erste erfolgreiche Bluttransfusion bei einer Patientin, gängige Praktiken in britischen Kreißsälen. Er prangerte „enorme Schnittwunden, Inversionen der Gebärmutter“ und das Erproben experimenteller Techniken mit schwerwiegenden Folgen für die Frauen an, die zudem unzureichend informiert wurden. Blundell, ein Verfechter der natürlichen Geburt, plädierte für chirurgische Eingriffe nur im Notfall.

Diese Kritik, wenn auch von einer Minderheit geteilt, wurde von Geburtshelfern über Jahre hinweg aufrechterhalten. Erst mit dem Aufkommen der feministischen Bewegung verließen diese Gedanken die akademischen Kreise und erreichten die öffentliche Debatte.

Dies führte 2014 zu einer Erklärung der WHO, die, ohne den Begriff „geburtshilfliche Gewalt“ explizit zu nennen, auf „respektlose, missbräuchliche oder nachlässige Behandlung“ von Frauen während der Geburt weltweit hinwies. Genannt wurden unter anderem körperlicher und verbaler Missbrauch, Demütigung, nicht einvernehmliche medizinische Eingriffe (einschließlich Sterilisation), mangelnde Aufklärung und Einwilligung, Verweigerung von Schmerzbehandlung, Verletzung der Privatsphäre und die Verweigerung des Zugangs zu medizinischer Versorgung.

Daraufhin veröffentlichte die UN-Generalversammlung 2019 einen Bericht, der zahlreiche Praktiken als geburtshilfliche Gewalt klassifizierte und damit die heute gängigste Definition prägte. Diese umfasst körperlichen Missbrauch, übermäßige Medikalisierung, unnötige Eingriffe, Verweigerung notwendiger Behandlungen, mangelnde Aufklärung und Respekt vor der informierten Einwilligung, illegale Fixierung, Verweigerung von Anästhesie, Missachtung der Privatsphäre sowie sexistische oder herabwürdigende Bemerkungen gegenüber der Gebärenden und ihrem Kind.

Feministische Perspektive und Kontroversen

Obwohl die von der UNO aufgeführten Praktiken in Spanien bereits als Fehlverhalten oder Fahrlässigkeit strafbar sind, entstand 2021 eine Kontroverse, als das Gleichstellungsministerium unter Irene Montero (Podemos) beabsichtigte, geburtshilfliche Gewalt als Form sexistischer Gewalt in die Reform des Abtreibungsgesetzes aufzunehmen. Nach Widerstand der PSOE wurde der Begriff durch „angesehene Geburt“ ersetzt, das Gesetz enthielt jedoch Maßnahmen zur Bekämpfung einiger dieser Praktiken.

Die feministische Perspektive sieht geburtshilfliche Gewalt als Teil der strukturellen Diskriminierung von Frauen in patriarchalen Gesellschaften und unterscheidet sie von ärztlicher Fahrlässigkeit oder Kunstfehlern. Sie betrachtet diese Gewalt als Ergebnis einer Medizin, die von persönlichen Werten, Vorurteilen sowie wirtschaftlichen und politischen Faktoren beeinflusst ist (Biopolitik nach Michel Foucault) und somit die strukturelle Diskriminierung von Frauen reproduziert. Geburtshilfliche Gewalt wird in diesem Kontext als sexistische Gewalt definiert, da sie Frauen aufgrund ihres Geschlechts betrifft.

Widerstand aus der Ärzteschaft

Vehementer Widerstand gegen die Klassifizierung als sexistische Gewalt kam von Berufsverbänden gynäkologischer und geburtshilflicher Fachgebiete, wie aus einer Erklärung des Allgemeinen Rates der offiziellen Ärztekollegien von 2021 hervorgeht. Die Kategorisierung würde „das Handeln von Fachleuten kriminalisieren, die nach wissenschaftlichen und ethischen Prinzipien arbeiten“. Der Begriff „Gewalt“ sei beleidigend, da Eingriffe, selbst wenn sie als übertrieben oder unangemessen erscheinen, stets dem Wohl der Frau dienten.

CEDAW-Beschwerden gegen Spanien

Die Realität geburtshilflicher Gewalt, wie sie von internationalen Organisationen definiert wird, ist in Spanien in den letzten Jahren zunehmend in den Fokus gerückt. So forderte der UN-Ausschuss für die Beseitigung der Diskriminierung der Frau (CEDAW) Spanien 2020 zur Entschädigung einer Frau auf, die 2011 nicht einvernehmlichen medizinischen Eingriffen mit dauerhaften Folgen ausgesetzt war. Spanische Gerichte wiesen den Fall ab.

2022 rügte CEDAW Spanien erneut im Fall einer Frau, deren Wehen ohne Einwilligung und Aufklärung über Alternativen eingeleitet und die vorzeitig in ein Krankenhaus eingewiesen wurde. Den Vereinten Nationen zufolge erfolgte ein Kaiserschnitt ohne medizinische Indikation, bei dem die Frau fixiert wurde und ihr Ehemann nicht anwesend sein durfte.

Eine weitere Rüge folgte 2023 im Fall einer Frau, die einem ungewollten Kaiserschnitt unterzogen und zu einer Epiduralanästhesie gedrängt wurde, die „lachend“ verabreicht wurde.


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