Die Argumentation von Regierungspräsident Pedro Sánchez, nichts von den Machenschaften seines ehemaligen Beraters Koldo García gewusst zu haben, gerät zunehmend ins Wanken. Neue Erkenntnisse aus den Ermittlungen der UCO (Zentraleinsatzgruppe der Guardia Civil) und abgefangene Gespräche werfen ernsthafte Fragen auf: War Sánchez tatsächlich unwissend, oder tolerierte er gar die Fortführung eines mutmaßlichen Korruptionssystems? Diese brisanten Details erschüttern das Vertrauen in die höchste politische Ebene Spaniens.
Koldos Schattenleben: Einflussnahme auch nach Ábalos’ Abgang
Die Untersuchung der Guardia Civil offenbart ein beunruhigendes Bild: Die Maschinerie der angeblich manipulierten Auftragsvergaben, die im Zusammenhang mit Koldo García und dem ehemaligen Verkehrsminister José Luis Ábalos steht, endete nicht mit Ábalos’ Ausscheiden aus dem Ministerium im Juli 2021. Im Gegenteil, die Ermittler betonen, dass Koldo García, obwohl er formell seinen Posten verließ, seinen Einfluss in verschiedenen Behörden des Ministeriums aufrechterhielt. Dies geschah offenbar mit Unterstützung aus höheren Ebenen. Der Bericht der UCO ist hier unmissverständlich: “Die Beziehung von Koldo zu den Mitgliedern des MITMA [Ministerium für Verkehr, Mobilität und städtische Agenda] wurde nicht unterbrochen.” Diese fortgesetzte Einflussnahme diente dem Ziel, bestimmte Bauunternehmen, insbesondere die Firma LIC (Levantina Engineering and Construction), die bereits an mehreren verdächtigen Operationen beteiligt war, zu begünstigen.
Geheimnisvolle Notizen und Verbindungen nach Valencia
Ein auf Koldos Mobiltelefon gefundener Vermerk vom 25. Mai 2022 gibt weitere Einblicke. Er dokumentiert ein mutmaßliches Gespräch zwischen Koldo und Javier Herrero, einem hochrangigen Beamten des Ministeriums. In diesem Vermerk werden mehrere Bauunternehmen wie MAB, AZVI, COPASA, MAYGAR und ALDESA genannt, die mit Projekten der Generaldirektion für Straßenwesen in Verbindung gebracht werden – und das, obwohl Ábalos zu diesem Zeitpunkt bereits ein Jahr aus dem Amt war. Eine weitere Notiz vom 17. November 2022, die ein 20-Millionen-Projekt im Hafen von Valencia betrifft, schlägt vor, LIC und FCC zu bevorzugen. Diese Funde widersprechen vehement der Darstellung Sánchez’, der sich hinter einer angeblichen Unwissenheit über die Aktivitäten seiner Kollaborateure zu verbergen versucht.
Wer hatte die Fäden in der Hand? Die Rolle der Exekutive
Die der UCO vorliegenden Aufzeichnungen und Dokumente legen nahe, dass Koldos Entscheidungsbefugnis nicht auf die Partei beschränkt gewesen sein kann, da Parteien keine öffentlichen Aufträge vergeben. Dies deutet auf grünes Licht von der Exekutive hin, letztlich von ganz oben. Die Chronologie der Ereignisse untermauert diese Hypothese:
- Januar 2021: Als Ábalos noch im Amt war, setzte Koldo die damalige Staatssekretärin für Verkehr, Isabel Pardo de Vera, unter Druck, eine SCI-Klage im Zusammenhang mit einem Werk in Elche positiv zu lösen.
- Einen Monat später: Koldo versicherte einem Gesprächspartner, er habe mit “dem Chef” gesprochen, und das Projekt werde weitergeführt.
Auch nach der Ministerübergabe blieb die operative Struktur erhalten. Koldo vermittelte weiterhin, setzte Ziele und agierte, so die Ermittler, unter dem stillschweigenden Schutz von Personen mit echter Entscheidungsbefugnis. Die mutmaßliche Beteiligung von Santos Cerdán, bis vor kurzem Organisationssekretär der PSOE und eine Person mit größtem Vertrauen des Präsidenten, scheint im Umfeld von Moncloa bekannt gewesen zu sein. Doch es wurde erst gehandelt, als die Beweise nicht mehr zu leugnen waren.
Die Untersuchung enthüllt heute, dass das Netzwerk von Druck und mutmaßlich manipulierten Auszeichnungen nicht nur der Vergangenheit angehörte oder nur einer Handvoll hochrangiger Ministerposten betraf. Die Verästelungen reichen in ein Ausmaß, in dem vor allem nur eine Person Autorität hatte: der Regierungspräsident selbst.
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