Die Erweiterung der Madrider Metrolinie 11 (L11) förderte unerwartet ein Stück Geschichte zutage: Bei den Bauarbeiten für den zukünftigen Bahnhof Madrid Río stieß man auf Überreste des Königskanals von Manzanares. Freigelegt wurden etwa 30 Meter lange, mit Pfählen gestützte Holzbohlen – Teile eines ehemaligen Stegs.
Diese Infrastruktur aus dem 18. Jahrhundert, angelehnt an den Canal de Castilla, diente einst dem Gütertransport. „Die Funde belegen eindrucksvoll Madrids Ambitionen, einst Seehafen und vollständig schiffbar zu sein“, erklärt die Forschungsgruppe des Manzanares Linear Park.
Ähnlich ehrgeizig wie Kastiliens Plan, Valladolid und Palencia über den Hafen von Santander mit dem Getreidemarkt zu verbinden, war auch das Madrider Vorhaben. Die Idee bestand darin, Madrid über einen Kanal mit Aranjuez zu verknüpfen und von dort aus über den Tejo nach Lissabon oder über einen weiteren Kanal nach Sevilla zu gelangen.
600 Kilometer Strecke und 650 Meter Höhenunterschied
Die Idee war nicht neu. Bereits unter den Habsburgern wurde die Möglichkeit geprüft, den Jarama in den Manzanares umzuleiten, um dessen Wasserführung zu verstärken und ihn schiffbar zu machen. „Madrid mit dem 600 Kilometer entfernten Meer und einem Höhenunterschied von 650 Metern zu verbinden, war zweifellos ein kühnes Unterfangen“, heißt es auf der Website der Freundesplattform Real Canal de Manzanares. Dabei ist zu bedenken, dass die Topografie des Landesinneren damals noch nicht genau bekannt war.
Erst unter Karl III. wurde das Projekt auf private Initiative von Carlos Martinengo wieder aufgegriffen. Er erklärte sich bereit, die Kosten zu tragen, verlangte im Gegenzug jedoch diverse Vergünstigungen und Konzessionen. 1770 erteilte der König Martinengo per Erlass die erforderlichen Genehmigungen und Privilegien.
Häuser, Schleusen, Mühlen, Öfen, Brücken und Stege säumten einst den Königskanal von Manzanares. Sie markierten den Verlauf des vom Manzanares abzweigenden Kanals, der den heutigen Manzanares Linear Park durch die Gemeinden Madrid (Usera, VillaVerde und Vallecas), Getafe und Rivas Vaciamadrid durchquerte. Vom Anleger in Madrid aus erstreckte er sich über 20 Kilometer.
Isidro González Velázquez plante den Kanal parallel zum Flussverlauf. Zehn Schleusen sollten die Höhenunterschiede ausgleichen. Der Kanal sollte Vaciamadrid erreichen und dort in die Real Acequia del Jarama aus der Zeit Philipps II. münden, die für die Schifffahrt erneuert werden sollte, um Aranjuez zu erreichen. Der Bau begann 1771 am linken Ufer des Manzanares, nahe der Toledo-Brücke.
Von privater Initiative zur (ineffizienten) königlichen Übernahme
Die Wasserkraft der Schleusen wurde genutzt, um an den ersten vier Schleusen Mühlen zu errichten. Fast alle dienten dem Mahlen von Getreide, mit Ausnahme der Mühle an der ersten Schleuse, die die Königliche Porzellanmanufaktur des Buen Retiro versorgte.
Martinengo schaffte es bis etwas über die neunte Schleuse hinaus, doch die hohen Kosten und der schleppende Baufortschritt führten ihn in den Ruin. Karl III. ordnete die Beschlagnahmung im öffentlichen Interesse an, „obwohl die finanziellen Probleme des Landes die Maßnahmen auf reine Instandhaltungsmaßnahmen beschränkten“. Erst jetzt wurde der Kanal offiziell zum „Real Canal de Manzanares“.
Nach 1799, nach dem Scheitern des Guadarrama-Kanals, der den Königskanal mit Wasser versorgen sollte, führte mangelnde Investition zum Verfall. Der Kanal wurde unpassierbar. Unter Ferdinand VII. wurden Reparaturarbeiten durchgeführt und der Kanal bis in die Nähe von Vaciamadrid, nahe dem Zusammenfluss mit dem Jarama, verlängert.
Das Ende des Königskanals
Die Bemühungen waren jedoch vergeblich. Mangelnde Instandhaltung des Flussbetts hatte die Schifffahrt zum Erliegen gebracht. Stehendes Wasser führte zu gesundheitlichen Problemen. Entscheidend war jedoch der Bau der ersten Eisenbahnlinie der Iberischen Halbinsel von Barcelona nach Mataró im Jahr 1848. Kanäle und Lastkähne wurden überflüssig.
1860, nach nur 90 Jahren, wurde der Real Canal de Manzanares stillgelegt. Zwei Jahre später wurde alles versteigert: 50 behauene Steine, 100 Steine, 80 Platten, 40 Ladungen Rohstein und 84 Kubikmeter Mauerwerk aus Feuerstein und Bruchstein. Der ‘städtische’ Kanalabschnitt in Stadtnähe wurde trockengelegt und zugeschüttet.
Was ist heute noch von dem ehrgeizigen Projekt übrig?
Heute sind verschiedene Teile des Kanals in relativ gutem Zustand erhalten. Im zweiten Abschnitt des Manzanares Linear Park befindet sich der Komplex der Casa de la Cuarta Esclusa, der heute von der Stadt Madrid als Kulturgut (Bien de Interés Cultural, BIC) eingestuft ist.
Auch die archäologischen Überreste der Schleusen fünf bis zehn sind sichtbar, ebenso verschiedene Brücken und Aquädukte: Congosto, Cambroneras und Migueles-Hundimiento. Erhalten geblieben sind auch einige Gebäude aus der Zeit Ferdinands VII., die für den Kanalbau genutzt wurden.
Regelmäßig werden Führungen zu den archäologischen Stätten im Manzanares Linear Park angeboten. Seit September 2009 ist der Kanal jedoch aufgrund seines Verfalls in die Rote Liste des gefährdeten Kulturerbes der Asociación Hispania Nostra aufgenommen.
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