
Ein unsichtbares Risiko schwelt in den weitläufigen Waldgebieten Spaniens, das in diesem Jahr zu einer der verheerendsten Brandkatastrophen des Jahrhunderts beigetragen hat. Während die Flammen riesige Landstriche vernichten, rückt eine tief verwurzelte, strukturelle Problematik in den Fokus: Der Großteil der spanischen Wälder befindet sich in privater Hand, ist jedoch kaum gegen die wachsende Gefahr von Bränden abgesichert.
Das unsichtbare Risiko: Private Wälder ohne Schutz
Spanien verfügt über eine gewaltige Waldfläche von mehr als 27 Millionen Hektar. Eine erstaunliche Zahl von rund 72 % dieser Fläche gehört privaten Eigentümern. Doch der Schutz dieser wertvollen Ökosysteme ist minimal. Wie das Konsortium der landwirtschaftlichen Versicherungsgesellschaften, Agroseguro, bestätigt, waren im vergangenen Jahr lediglich 71.400 Hektar versichert – ein verschwindend geringer Bruchteil. Der Hauptgrund hierfür ist, dass die meisten dieser Wälder nicht aktiv bewirtschaftet werden und somit keinen direkten wirtschaftlichen Ertrag bringen, der den Abschluss einer Versicherung rechtfertigen würde. Diese mangelnde Absicherung erschwert die Regenerationsarbeiten nach den verheerenden Bränden, die das Land derzeit heimsuchen, erheblich.
2025: Ein Rekordjahr der Zerstörung
Obwohl die Temperaturen in einigen Regionen leicht gesunken sind, fachen starke Winde die Feuer immer wieder an und lassen viele Brände außer Kontrolle geraten. Nach Daten des europäischen EFFIS-Systems hat das Feuer in diesem Jahr bereits über 343.000 Hektar Land in Spanien verwüstet. Damit ist 2025 schon jetzt das schlimmste Brandjahr des Jahrhunderts und übertrifft sogar die traurigen Rekorde von 2022. Auch wenn Ackerland betroffen ist, handelt es sich bei der verbrannten Fläche überwiegend um Wald, was die ökologische Katastrophe und die Herausforderungen bei der Wiederherstellung umso größer macht.
Die komplexe Verteilung des Landes: Öffentlich vs. Privat
Während 72 % der Wälder privat sind, werden die restlichen 28 % (rund 7,7 Millionen Hektar) von staatlichen, autonomen und kommunalen Behörden verwaltet. Interessanterweise zeigen historische Daten des Ministeriums für Ökologischen Wandel (MITECO) aus den Jahren 2006 bis 2015, dass öffentliche Flächen überproportional von Bränden betroffen sind. 43 % der verbrannten Waldfläche waren öffentlich, obwohl sie nur 28 % des Gesamtbestandes ausmachen.
Regino Coca, CEO der ländlichen Immobilienplattform Cocampo, erklärt, dass im öffentlichen Sektor oft ein Konflikt zwischen modernem Umweltschutz und praktischer Brandprävention besteht. “Die Anlage einer breiten Brandschneise in einem Nationalpark führt oft zu heftigen sozialen Debatten, da solche Eingriffe das Ökosystem beeinflussen”, so Coca. Zudem fehlt es vielen Gemeinden, die über sechs Millionen Hektar Land besitzen, schlicht an den finanziellen Mitteln für eine konsequente Waldpflege und die Reinigung von Unterholz.
Die Zersplitterung des Privateigentums als Brandbeschleuniger
Auf der Seite der privaten Eigentümer liegt das Problem oft in der Zersplitterung des Besitzes und mangelnden Ressourcen. Durch Erbteilung werden die Grundstücke immer kleiner, was das wirtschaftliche Interesse der Besitzer mindert. “Wenn Sie zwei Hektar Eukalyptusbäume in Orense erben, ist der Wert für Ihr Vermögen nahe null”, erklärt Coca. “Daher fehlen oft die Anreize oder die Mittel, um den Wald zu pflegen und sauber zu halten.” Diese Vernachlässigung schafft ideale Bedingungen für die Ausbreitung von Feuern.
Die Versicherungslücke und ihre Folgen
Die Waldversicherung von Agroseguro ist darauf ausgelegt, die Kosten für die Wiederherstellung und Wiederaufforstung nach einem Brand zu decken. Sie kann auch bestimmte Waldprodukte wie Kork oder Pinienkerne absichern. Doch im Gegensatz zur immer beliebteren Agrarversicherung bleibt die Waldpolice ein Nischenprodukt. “Die Waldmasse hat oft keinen direkten Nutzen wie landwirtschaftliche Flächen, daher versichert der Eigentümer sie in den seltensten Fällen”, erklären Quellen aus dem Konsortium. Dies bedeutet, dass nach einem Brand die finanziellen Mittel für eine schnelle Regeneration meist fehlen.
Vererbtes Land, vererbtes Problem: Die Aufgabe von Flächen
Ein Bericht von Cocampo aus dem Jahr 2025, basierend auf Daten des Landwirtschaftsministeriums, zeigt ein weiteres alarmierendes Phänomen: 2,32 Millionen Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche in Spanien sind verlassen und ungenutzt. Die Aufgabe von geerbtem Land ist einer der Hauptgründe für die zunehmende Brandgefahr. Ungepflegte, zugewachsene Flächen wirken wie Zunder. Experten wie Coca sehen in der Zusammenlegung von Land und der Bildung von Genossenschaften einen möglichen Ausweg. “Alles, was Land zusammenführt und eine wirtschaftliche Komponente hinzufügt, würde dieses Problem verringern”, argumentiert er. Agrarorganisationen wie ASAJA fordern daher eine radikal neue Forstpolitik, die traditionelle ländliche Aktivitäten nicht länger durch einen “überholten Umweltschutz” behindert, sondern die aktive Pflege der Wälder fördert.
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