Vom Nischenprodukt zum Massenphänomen: Der unwiderstehliche Aufstieg chinesischer Autos in Spanien

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Vom Nischenprodukt zum Massenphänomen: Der unwiderstehliche Aufstieg chinesischer Autos in Spanien
Foto: Byd.com

Es ist kaum zu übersehen: Modelle von Marken wie BYD, Omoda, Jaecoo oder MG sind auf Spaniens Straßen und Bürgersteigen längst keine Seltenheit mehr. Diese schnelle Normalisierung chinesischer Fahrzeuge in der spanischen Autolandschaft hat in kürzester Zeit stattgefunden und spiegelt einen bemerkenswerten Wandel wider. Was einst mit Skepsis betrachtet wurde, hat sich zu einem wahren Boom entwickelt.

Chinas Eroberungsfeldzug: Jedes zehnte Neufahrzeug kommt aus Fernost

Der Erfolg ist messbar und beeindruckend. Chinesische Hersteller haben ihren Marktanteil in Spanien signifikant erhöht. In den ersten fünf Monaten des Jahres 2025 machten sie bereits 10,12 % aller Neuzulassungen aus. Das bedeutet eine Steigerung von rund 4,74 Prozentpunkten gegenüber dem gleichen Zeitraum im Jahr 2024 und sogar 5,75 Prozentpunkte seit 2023. Innerhalb nur eines Jahres hat sich die Marktdurchdringung chinesischer Konzerne in spanischen Autohäusern von 23.235 auf 49.657 Einheiten fast verdoppelt. Seit Ende letzten Jahres, als sie noch einen Anteil von 6,61 % hatten, ist dieser bis Mai 2025 um dreieinhalb Prozentpunkte gestiegen.

Diese Zahlen belegen eindrücklich, dass sich ein anfänglich zögerlicher Markteintritt in nur gut drei Jahren zu einer aggressiven Expansionsstrategie entwickelt hat. China ist nicht nur der größte Automobilhersteller weltweit, sondern auch führend im Bereich der Elektroautos. Diesen strategischen Vorteil nutzen die chinesischen Autobauer nun konsequent, um in Europa Fuß zu fassen. Sie eröffnen Produktionsstätten, erschließen neue Märkte und steigern ihren Marktanteil systematisch. Wer dies als bloße Modeerscheinung abtut, unterschätzt die tiefgreifende strategische Planung hinter dieser Entwicklung.

Welche chinesischen Automarken erobern Spanien?

Bis 2025 sind bereits mehr als fünf chinesische Marken mit einer stabilen Präsenz in Spanien vertreten, und ebenso viele weitere bereiten ihre Markteinführung vor. Laut ANFAC sind die Zulassungen chinesischer Marken zwischen 2022 und 2024 um über 300 % gestiegen, ein Trend, der sich voraussichtlich noch beschleunigen wird.

MG: Der Vorreiter mit britischen Wurzeln und chinesischer Power

Einer der Pioniere auf dem spanischen Markt war MG. Obwohl ursprünglich britisch, gehört das Unternehmen heute zum chinesischen Giganten Saic Motor. MG hat sich mit Modellen wie dem MG ZS und dem MG4 Electric schnell etabliert und ist zur meistverkauften chinesischen Marke in Spanien aufgestiegen. Besonders der MG4 Electric, ein kompakter Elektro-Kompaktwagen mit über 400 km realer Reichweite, besticht durch sein unschlagbares Preis-Leistungs-Verhältnis und ist mit öffentlichen Förderungen bereits ab 20.000 Euro erhältlich.

BYD: Der Batterie-Riese auf Spaniens Straßen

Die treibende Kraft hinter dem chinesischen Autoboom ist jedoch BYD, gleichzeitig der weltweit größte Hersteller von Batterien für Elektrofahrzeuge. In Spanien hat BYD Modelle wie den rein elektrischen Dolphin, Atto 3 und Seal eingeführt, die sich durch hohe Leistung und moderne Ästhetik auszeichnen.

BYD hebt sich von der Konkurrenz ab, indem das Unternehmen eigene Lithium-Eisenphosphat (LFP) Blade-Batterien ohne Kobalt produziert. Dies ermöglicht nicht nur eine höhere Sicherheit, sondern auch niedrigere Produktionskosten. Die Beziehung zu Spanien war von Anfang an vielversprechend. “Der spanische Verbraucher sucht Effizienz, Qualität und einen wettbewerbsfähigen Preis. Unser Angebot passt perfekt zu diesem Profil”, erklärt BYD Iberia. Der BYD Seal U DM-i ist hier bereits eines der meistverkauften Plug-in-Hybridfahrzeuge. Aktuell verfügt BYD über ein Netzwerk von etwa 30 offiziellen Händlern in Spanien und plant, im Laufe des Jahres hundert Verkaufsstellen zu erreichen.

Chery (Omoda & Jaecoo): Lokale Produktion als Strategie

Chery ist ein weiterer chinesischer Hersteller, der stark auf den spanischen Markt setzt. Mit den Marken Omoda und Jaecoo werden Modelle mit Verbrennungs-, Plug-in-Hybrid- und Elektroantrieben angeboten. In den ersten Monaten dieses Jahres wurden fast 3.000 Einheiten verkauft.

Chery geht jedoch noch einen Schritt weiter: Im vergangenen Jahr gab der Konzern bekannt, die ehemaligen Nissan-Werke in Barcelonas Zona Franca zu übernehmen. Dort sollen verschiedene Elektrofahrzeuge, wie der Omoda 5, produziert werden. Chery hat hierfür eine Vereinbarung mit EV Motors getroffen, mit dem Ziel, bis 2029 150.000 Fahrzeuge zu montieren, wobei die Produktionskapazität bis zu 300.000 Autos beträgt.

Die Marken des Chery-Konzerns verfügen bereits über 70 offizielle Händler in Spanien, was eine Abdeckung von 93 % des Staatsgebiets bedeutet. Das Ziel für dieses Jahr sind 100 Händler. Zusätzlich betreibt Chery ein Ersatzteilzentrum von Omoda & Jaecoo in Azuqueca de Henares (Guadalajara), das eine Teileverfügbarkeit von 98 % und eine Lieferung innerhalb von 24 Stunden an Händler auf der Halbinsel gewährleistet.

Weitere Newcomer: Seres, Aiways, Xpeng und Leapmotor

Auch weniger bekannte Marken drängen auf den spanischen Markt:

  • Seres konzentriert sich ausschließlich auf Elektrofahrzeuge. Das Modell Seres 3, ein kompakter SUV mit 330 km Reichweite, gewinnt durch Kooperationen mit Vertriebsnetzen und privaten Flotten an Bedeutung.
  • Aiways war eine der ersten chinesischen Marken, die mit dem Aiways U5 einen Elektro-SUV in Spanien anbot. Obwohl weniger sichtbar, bleibt die Marke aktiv und plant neue Modellversionen.
  • Xpeng ist gerade erst in Spanien gelandet und wird die Modelle Xpeng G9, G6 und P7 auf den Markt bringen.
  • Leapmotor hat den spanischen Markt durch eine Partnerschaft mit Stellantis betreten, die 21 % der Marke übernommen haben. Aktuell werden in Spanien der kleine Stadtflitzer T03 und der Familien-SUV C10 angeboten, beide rein elektrisch.

Die Erfolgsgeheimnisse chinesischer Automobilhersteller

Der größte Trumpf chinesischer Marken ist ihr Preis. Während die Kosten für Neufahrzeuge, insbesondere Elektroautos, stetig steigen, bieten die asiatischen Hersteller eine attraktive Alternative für Verbraucher. “Es kann keine Elektroautos geben, die 70.000 oder 80.000 Dollar kosten, man muss sie auf 30.000 Dollar oder weniger reduzieren. Ich denke, daran arbeitet die Branche noch”, resümiert Nikolaus Lang, Senior Partner bei der Boston Consulting Group.

Diese niedrigen Preise sind das Ergebnis einer Kombination aus eigener Technologie, streng kontrollierten Kosten und globalem Ehrgeiz. Chinesische Hersteller produzieren eigene Batterien, Plattformen und Elektromotoren, wodurch sie die gesamte Wertschöpfungskette steuern können. Zudem haben sie europäische Designer engagiert und Designzentren in Deutschland und Italien gegründet.

Lang identifiziert drei Schlüsselfaktoren für Chinas Erfolg:

  1. Preisstaffelung und Skalierung: “Chinesische Hersteller profitieren bereits von einem großen Inlandsmarkt”, so Lang. Dies ermöglicht eine extrem schnelle Skalierung, ein Vorteil, den viele andere OEMs nicht haben, da die Märkte in Europa und den USA begrenzter sind.
  2. Batterietechnologie: “China war schon immer an vorderster Front, wenn es um Batterietechnologie geht, und das hilft diesen Akteuren, die eng mit der Batterieproduktion verbunden sind”, erklärt Lang.
  3. Regulatorisches Umfeld: “Chinesische OEMs haben auch von einem regulatorischen Umfeld staatlicher Anreize profitiert, das es ihnen ermöglicht hat, meiner Meinung nach früher und mutiger durchzustarten”, fügt er hinzu.

Herausforderungen und Zukunftsaussichten

Doch nicht alles ist rosig. Chinesische Marken stehen in Spanien auch vor erheblichen Herausforderungen. Zum einen müssen sie das Vertrauen der Verbraucher gewinnen. Viele Autofahrer assoziieren “chinesisches Produkt” trotz der jüngsten Fortschritte immer noch mit geringerer Qualität.

Zum anderen fehlt ein flächendeckendes After-Sales-Netzwerk. Obwohl sie in offizielle Händler und Werkstätten investieren, sind sie noch weit von der Dichte traditioneller Marken entfernt. Schließlich sind chinesische Marken auch geopolitischen Risiken ausgesetzt. Die Europäische Kommission ermittelt bereits gegen mehrere chinesische Hersteller wegen möglicher staatlicher Subventionen, die zu unlauterem Wettbewerb führen könnten. Mögliche Zölle aus Brüssel könnten die Preise steigen lassen und das gesamte Szenario verändern.

Für viele Branchenexperten ist der Markteintritt chinesischer Marken sowohl Herausforderung als auch Chance. Einerseits zwingt er große europäische Konzerne, ihren Umstieg auf Elektroautos zu beschleunigen, Margen zu senken und mehr Wert zu bieten. Andererseits könnte ihre Präsenz den Zugang zur Elektromobilität in Ländern wie Spanien demokratisieren, wo der Preis oft noch ein erhebliches Hindernis darstellt.

Wir erleben einen Paradigmenwechsel, in dem chinesische Marken die Lücken füllen, die traditionelle Hersteller hinterlassen haben. Die entscheidende Frage bleibt, ob sich diese Marken langfristig etablieren oder ob es sich um eine vorübergehende Welle handelt. In einer Branche im Wandel ist das chinesische Auto nicht mehr nur ein Risiko, sondern ein ernstzunehmender Wettbewerber – und in vielen Fällen eine Chance für den Verbraucher.


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