Unter Polizeischutz: Das Team Israel-Premier Tech fährt bei der Vuelta in einer Atmosphäre der Angst

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Das Team Israel-Premier Tech fährt bei der Vuelta in einer Atmosphäre der Angst
Bild: Soziale Medien

Ein blauer Bus ohne Sponsorenaufkleber rollt an die Unterschriftskontrolle in Alfaro (La Rioja). “Und was ist das für ein Team?”, fragt ein Landsmann verwundert. In dem bunten Ozean der Vuelta a España ist diese Mannschaft eine unsichtbare, fast gespenstische Erscheinung. Wo sonst die Logos der Geldgeber prangen, sieht man nur ein riesiges “P” und eine stilisierte Form des Davidsterns. Begleitet von einem Streifenwagen der Guardia Civil bewegt sich das Team Israel-Premier Tech wie ein Fremdkörper durch die fröhliche Karawane des Radsports – ein Team unter ständigem Polizeischutz, dessen Präsenz den Schatten des Gaza-Konflikts über die spanischen Straßen wirft.

Proteste, Anfeindungen und die ständige Eskorte

Die Atmosphäre rund um die israelische Formation ist zum Zerreißen gespannt. Bei der Ankunft in den Etappenorten wie Alfaro weicht eine Überwachungseinheit der Polizei oder Guardia Civil nicht von ihrer Seite. Die farbenfrohe Party der Vuelta wird für sie zu einem Spießrutenlauf. Die Proteste, die bereits beim Giro und der Tour in gemäßigter Form auftraten, haben sich bei der Spanien-Rundfahrt intensiviert.

Beim Mannschaftszeitfahren in Figueres blockierten Demonstranten mit Transparenten die Strecke. Auf den Bergpässen prangen Graffiti mit Gaza-Botschaften und von unzähligen Balkonen im ganzen Land wehen palästinensische Flaggen. Israelische Flaggen sucht man vergebens. Das Team selbst versucht, unsichtbar zu bleiben, um Probleme mit der öffentlichen Ordnung zu vermeiden. Sogar ihre Teamfahrzeuge sind neutralisiert, die Sponsorenlogos verschwunden. Jeden Tag, auf dem Weg zum Start und abends zurück ins Hotel, wird der Konvoi von der Guardia Civil eskortiert.

“Sie haben uns Mörder genannt” – Die Fahrer im Kreuzfeuer

Einzig die hochwertigen Fahrräder der Marke Factor, Modelle wie das ultraleichte O2 VAM oder das aerodynamische Ostro VAM, ernten hier und da ein anerkennendes Wort von den Fans. Es ist fast das einzige Lob, das die Fahrer zu hören bekommen. Die Athleten selbst fühlen sich in einem Konflikt gefangen, mit dem sie nichts zu tun haben wollen. Sie verstehen nicht, warum eine Kriegssituation an ihnen ausgelassen wird.

Óscar Guerrero, einer der sportlichen Leiter des Teams, beschreibt die unerträgliche Situation: “Bei der Präsentation jeder Etappe gibt es Leute, die die Fahrer anschreien und bespucken. Als ob wir schuld wären… Sie haben uns Mörder genannt. Wir haben alles durchlebt. Das ist nicht angenehm.” Die Stimmung innerhalb der Mannschaft ist düster. Hinter vorgehaltener Hand sprechen die Mitglieder über die Belastung: “Die Atmosphäre ist sehr traurig. Wir kämpfen, wir versuchen, unser Bestes zu geben, aber selbst wenn wir gewinnen, können wir es nicht genießen. Wir sind in einem schlechten Zustand, aber wir müssen weitermachen.” Sie betonen, nicht das Team der israelischen Regierung zu sein, sondern das eines privaten Sponsors, des Milliardärs Sylvan Adams.

Vuelta-Organisation: Zwischen Sicherheit und sportlichen Regeln

Das Team wurde 2015 gegründet und stieg 2020 in die UCI WorldTour auf. Sein Gründer, der israelisch-kanadische Milliardär Sylvan Adams, schaffte es sogar, 2018 den Start des Giro d’Italia nach Jerusalem zu holen. Nun, Jahre später, werden die Fahrer des Teams bei Trainingseinheiten im Höhentrainingslager auf dem Teide oder in der Sierra Nevada bereits in neutralen, weißen Trikots gesehen, um Konfrontationen aus dem Weg zu gehen.

Die Organisation der Vuelta a España wird keine Maßnahmen gegen das Team ergreifen. Generaldirektor Javier Guillén erklärte gegenüber ABC: “Wir können sie nicht vom Rennen ausschließen, denn sie haben keine Regeln gebrochen. Sie haben sich ihr Recht auf Teilnahme durch ihre sportlichen Ergebnisse und die Regeln des Profiradsports verdient.” Er fügte hinzu: “Wir sind für alle freien und friedlichen Demonstrationen, aber wir sind auch besorgt um die Sicherheit der Fahrer und die Integrität unseres Rennens.” So fährt das Team weiter, gefangen zwischen sportlichem Ehrgeiz und einem politischen Konflikt, der sie auf Schritt und Tritt verfolgt.


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