Jedes Jahr gibt es einen symbolischen Stichtag, der für viele Spanier eine bittere Realität widerspiegelt: den Tag der steuerlichen Befreiung. Im Jahr 2025 fällt dieser Tag auf den 18. August. Dies bedeutet, dass ein spanischer Durchschnittsbürger 228 Arbeitstage lang, also mehr als sieben Monate, ausschließlich für die Begleichung seiner steuerlichen Verpflichtungen arbeiten muss, bevor er auch nur einen Euro für sich selbst verdient. Ein alarmierender Anstieg im Vergleich zu 2018, als dieser Tag noch 51 Tage früher lag.
Ein beispielloser Anstieg der Steuerlast in Spanien
Laut dem aktuellen Jahresbericht der Stiftung Civismo ist der fiskalische Druck auf spanische Haushalte so hoch wie nie zuvor in der jüngeren Geschichte. Der Trend ist eindeutig: Im Jahr 2019, dem ersten vollen Jahr unter der Regierung von Pedro Sánchez, fiel der Tag der Steuerbefreiung noch auf den 17. Juni. Bis 2025 hat sich dieser Stichtag um ganze zwei Monate nach hinten verschoben. Dies ist eine direkte Folge des wachsenden Steuerdrucks, der sowohl auf nationaler als auch auf regionaler und lokaler Ebene spürbar ist.
Die Daten sind schockierend: Mehr als 54 % des durchschnittlichen Einkommens spanischer Haushalte werden für Steuern, Abgaben und Beiträge aufgewendet. Diese historische Belastung wird durch einen massiven Anstieg der staatlichen Einnahmen untermauert, der in den letzten vier Jahren bei fast 50 % lag. Dieser Zuwachs steht in keinem Verhältnis zur Lohnentwicklung oder der wirtschaftlichen Lage.
Die versteckte Steuererhöhung: Was ist Inflationsprogressivität?
Ein wesentlicher Faktor für den Anstieg der Steuereinnahmen ist die sogenannte “Inflationsprogressivität”. Dies bedeutet, dass die Einkommensteuertarife nicht an die Inflation angepasst werden. In der Praxis führt dies dazu, dass Steuerzahler, obwohl ihre reale Kaufkraft sinkt, in höhere Steuerklassen rutschen und dadurch mehr Steuern zahlen. Die Fedea-Studie bestätigt diesen Effekt: Spanische Haushalte zahlen heute 30 % mehr Einkommensteuer als vor zehn Jahren – nicht wegen einer formellen Erhöhung der Steuersätze, sondern aufgrund dieser versteckten Steuererhöhung.
Regionale und lokale Steuern: Eine zweite Steuerlast
Neben den nationalen Steuern drückt auch das komplexe Netz regionaler und lokaler Abgaben auf die Finanzen der Spanier. Civismo spricht hier von einer “zweiten Besteuerung”, die einen Durchschnittshaushalt mit fast 5.000 Euro pro Jahr belastet. Dies entspricht weiteren 80 Arbeitstagen, die nur für die Bezahlung lokaler und regionaler Steuern aufgewendet werden müssen.
Zu den größten Posten gehören hierbei die Immobiliensteuer IBI und die Grunderwerbssteuer ITP-AJD. Die IBI-Belastung ist durch regelmäßige Katasterrevisionen gestiegen, während die ITP-AJD den Verkauf von Gebrauchtwohnungen mit durchschnittlich 8 % besteuert.
Die Mittelschicht trägt die Hauptlast
Der Bericht stellt klar, dass diese hohe Steuerlast nicht alle gleichermaßen trifft. Während ein Gutverdiener mit über 80.000 Euro brutto mehr als 40 % seines Einkommens an den Staat abgibt, ist es vor allem die Mittelschicht, die proportional am stärksten betroffen ist. Die indirekten Steuern wie die Mehrwertsteuer belasten Menschen mit geringerem Einkommen prozentual stärker, da sie einen größeren Teil ihres Geldes für Konsumgüter ausgeben müssen.
Forderung nach einer umfassenden Steuerreform
Die Stiftung Civismo schließt ihren Bericht mit einem dringenden Appell: Eine umfassende Reform des Steuersystems ist unumgänglich. Ziel müsse es sein, das System zu vereinfachen, überschneidende Steuern abzuschaffen und eine bessere Koordination zwischen den Verwaltungen zu gewährleisten. Nur so könne das Gleichgewicht zwischen der legitimen Finanzierung des Staates und dem Recht des Bürgers, über seine eigene Arbeit zu verfügen, wiederhergestellt werden.
Abonniere unseren Newsletter