Um die Bootsmigration zu bekämpfen, beginnt Ministerpräsident Sánchez diese Woche eine diplomatische Tour durch Westafrika, wobei Mauretanien besonders im Blickpunkt steht, da dort angeblich 70.000 Menschen auf ihre Überfahrt zu den Kanarischen Inseln warten.
Noch im Februar war Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez überzeugt, einen bedeutenden Fortschritt in der Bekämpfung illegaler Einwanderung erzielt zu haben. Während eines Besuchs in Mauretanien versprach Sánchez gemeinsam mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen finanzielle Unterstützung in Höhe von 510 Millionen Euro für das westafrikanische Land.
Diese Mittel, von denen die EU 300 Millionen und Spanien den Rest übernehmen würde, sollten zur wirtschaftlichen Entwicklung beitragen und insbesondere den Grenzschutz stärken. Mauretanien, ein extrem armes Land neben Senegal, ist einer der Hauptabfahrtsorte für viele Bootsmigranten, die in den letzten Jahren zu den Kanarischen Inseln aufgebrochen sind.
Der groß gefeierte Deal hat jedoch wenig bewirkt, sogar das Gegenteil scheint der Fall zu sein. Von Januar bis Mitte August erreichten 22.304 Menschen auf dem Seeweg Spanien, was eine mehr als Verdoppelung der Zahl irregulärer Migranten im Vergleich zum Vorjahr bedeutet. Spaniens Investitionen in Westafrika sind zwar gestiegen, aber auch die Zahl der Migranten, die von der Küste aufbrechen, hat kontinuierlich zugenommen.
Diese Woche wird Sánchez erneut Westafrika besuchen, beginnend mit Mauretanien, um Präsident Mohamed Ould Ghazouani an sein Versprechen zu erinnern, die Grenzen zu sichern. Berichten zufolge warten dort 70.000 Menschen auf die Überfahrt.
In Westafrika verfolgt der spanische Premierminister die übliche Politik der Scheckbuchdiplomatie. Außenminister José Manuel Albares legte im Juni in Senegal den Grundstein für einen Kooperationsvertrag über 180 Millionen Euro. Selbst der linke Koalitionspartner Sumar kritisiert diese Herangehensweise, da solche Krisen nicht mit Geld gelöst werden könnten, das oft in dunklen Kanälen verschwinde, so die Sumar-Europaabgeordnete Estrella Galán. Sie setzt sich stattdessen für legale und sichere Migrationswege nach Europa ein.
Vor seiner Abreise traf Sánchez mit Fernando Clavijo, dem Regionalpräsidenten der Kanarischen Inseln, zusammen. Dort ist die Situation in diesem Jahr besonders angespannt, da letzte Woche allein 1.000 Flüchtlinge aus Westafrika ankamen. Aufgrund der ruhigeren See im Herbst befürchtet die spanische Regierung, dass noch mehr Menschen, insbesondere aus dem Bürgerkriegsland Mali, nach Spanien kommen könnten. Da der Landweg über Tunesien oder Marokko stärker überwacht wird, bevorzugen viele die Route über Mauretanien und die Kanarischen Inseln. In diesem Jahr erreichten bereits etwa 10.000 Menschen auf diese Weise Spanien.
Die erste Station für die meisten über die Atlantikroute ankommenden Migranten ist die kleine Insel El Hierro, die dem afrikanischen Kontinent am nächsten liegt. Um die Situation zu entschärfen, werden die Ankömmlinge üblicherweise nach Teneriffa oder Gran Canaria verlegt. Aber auch dort sind die Aufnahmekapazitäten erschöpft. Ein besonderes Problem stellen die unbegleiteten minderjährigen Migranten dar, deren Zahl auf den Kanarischen Inseln mittlerweile über 6000 beträgt. Sie genießen besonderen Schutz und können daher nicht einfach in ihre Herkunftsländer zurückgeführt werden.
Die Konservative fordern die Ausrufung des Migrationsnotstands
Der Versuch, Migranten auf das Festland umzusiedeln, scheiterte kürzlich am Widerstand der Opposition, die sich gegen die notwendige Änderung des Ausländergesetzes aussprach.
Der konservative Partido Popular beschuldigt Sánchez nicht nur der Untätigkeit, sondern auch des Fehlens eines Konzepts. Während Italien es geschafft habe, die Migrationsströme zu reduzieren, habe Sánchez einen neuen Höchststand bei der illegalen Einwanderung erreicht, so Oppositionsführer Alberto Núñez Feijóo am Wochenende. Feijóo ließ jedoch unerwähnt, dass der Rückgang in Italien wahrscheinlich auf den Flüchtlingsdeal zurückzuführen ist, den die italienische Premierministerin Giorgia Meloni im Sommer 2023 mit Tunesien abgeschlossen hatte, der auch großzügige finanzielle und wirtschaftliche Hilfen beinhaltet.
Die Konservativen sind nur dann bereit, Sánchez zu unterstützen, wenn er einen “Migrationsnotstand” erklärt. Die Volkspartei möchte dadurch strengere Grenzkontrollen einführen und zusätzliche EU-Mittel zur Bewältigung der Flüchtlingskrise beantragen.
Feijóo kritisierte auch den Personalmangel beim Grenzschutz, der nicht nur die südlichen Außengrenzen Spaniens betrifft. Auch an den Flughäfen steigt die Zahl der Asylanträge. Immer mehr Lateinamerikaner aus Ländern wie Venezuela, Peru oder Kolumbien kommen als angebliche Touristen ins Land und stellen unmittelbar nach ihrer Ankunft Asylanträge.
Kaum noch Abschiebungen weil Algerien nicht mitmacht
Unter der Regierung von Sánchez finden im Vergleich zu früheren sozialistischen Regierungen kaum noch Abschiebungen statt, was die Lage verschlimmert. Das Innenministerium verzeichnete 2023 nur etwa 6000 Rückführungen, was bedeutet, dass nur jeder fünfte irreguläre Migrant Spanien verlässt.
Die illegale Migration nach Spanien beschränkt sich nicht nur auf die Kanarischen Inseln. Auf den Balearen sind dieses Jahr bereits mehr Migranten angekommen als im gesamten Vorjahr, etwa 2400. Sie werden nicht mehr in einfachen Holzbooten, sondern von Schlepperbanden in hochmotorisierten Booten für mehrere tausend Euro innerhalb weniger Stunden nach Spanien gebracht.
Die meisten Migranten stammen aus Algerien, mit dem Spanien einst ein Rückführungsabkommen hatte. Seitdem Sánchez jedoch im Konflikt um die Westsahara Marokko unterstützt, zeigt sich Algerien verstimmt. Das Land vernachlässigt nicht nur die Küstenüberwachung, sondern weigert sich auch, abgelehnte Asylbewerber aus Spanien zurückzunehmen.
Bild: Archiv
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