Spanien steht im Fokus eines aktuellen Eurobarometers, das alarmierende Ergebnisse hinsichtlich des Vertrauens der Bürger in ihre Regierung und öffentliche Institutionen offenbart. Das südeuropäische Land ist laut jüngster Erhebung das europäische Land, in dem die Bürger ihrer Regierung am meisten misstrauen. Diese Erkenntnisse sind Teil eines umfassenden Arbeitsdokuments der Europäischen Union aus Brüssel, welches Spanien eine Reihe von Empfehlungen in den Bereichen Wirtschafts-, Sozial-, Beschäftigungs-, Struktur- und Haushaltspolitik hinzufügt.
Geringes Vertrauen in öffentliche Institutionen: Spanien im EU-Vergleich
Das Vertrauen der Spanier in ihre öffentlichen Institutionen liegt deutlich unter dem Durchschnitt der Europäischen Union. Besonders schlecht schneidet dabei die Zentralverwaltung ab. Eine Umfrage zeigt, dass 57 % der Befragten mangelnde Transparenz bei politischen Entscheidungen und der Verwendung öffentlicher Gelder in der spanischen Zentralverwaltung bemängeln. Im EU-Durchschnitt sind es lediglich 44 %.
Darüber hinaus fordern 55 % der Spanier weniger Bürokratie in der Verwaltung, verglichen mit 52 % im europäischen Durchschnitt. Auch der Wunsch nach stärkerer Interaktion zwischen Bürgern und Verwaltung ist in Spanien mit 35 % ausgeprägter als im EU-Schnitt (28 %). Diese Ergebnisse, die in einem eher ungewöhnlich offenen Dokument der Europäischen Kommission veröffentlicht wurden, deuten Brüsseler Quellen zufolge darauf hin, dass “die Regierung von Pedro Sánchez kurz vor dem Ende steht und sie ihre Angst davor verloren haben”.
Brüssels Unmut über Spaniens Zögern bei Verteidigungsausgaben
Weitere Quellen aus Belgien betonen die Verärgerung der Kommission darüber, dass Spanien die nationale Ausweichklausel nicht aktiviert hat. Diese Klausel hätte eine Erhöhung der Verteidigungsausgaben ermöglicht, die die Ausgaben in Spanien auf 650 Milliarden Euro erhöht hätte, wie von der EU-Exekutive im Zuge des Aufrüstungsplans vorgeschlagen. Weder Spanien, noch Frankreich oder Italien, haben diese Klausel in Anspruch genommen, was zu geringeren Ausgaben führt.
Dieser Umstand hat offenbar zum Verlust der Gunst von Paolo Gentiloni geführt, dem sozialistischen Wirtschaftskommissar. Die Besetzung weiterer Kommissarsposten, wie der des Vizepräsidenten der Europäischen Kommission, Raffaele Fitto, der von Giorgia Meloni vorgeschlagen wurde, könnte die Dynamik weiter verändern.
Pensionsreform und Nachhaltigkeit: Eine drängende Warnung
Die Kommission sieht die spanische Regierung zunehmend als “etwas Fertiges” an. Ein deutliches Zeichen dafür ist die aktuelle Entwicklung um die Pensionsreform. Das Ministerium für Integration, soziale Sicherheit und Migration hat unlängst zugegeben, einen Gesetzentwurf zur Reform des Königlichen Erlasses vom 18. Februar ausgearbeitet zu haben. Dieser Erlass regelte die Bewertung des Rentensystems durch die Unabhängige Behörde für fiskalische Verantwortung (AIReF) im Falle erforderlicher zusätzlicher Einnahmemaßnahmen.
Diese Kursänderung ist eine direkte Reaktion auf den Druck aus Brüssel, nachdem AIReF bereits einen Bericht veröffentlicht hatte, der die Nachhaltigkeit des Rentensystems in Frage stellte. Der Europaabgeordnete Fernando Navarrete (EVP) informierte daraufhin die Vizepräsidenten der Europäischen Kommission, Valdis Dombrovskis und Raffaele Fitto, dass AIReF zu einem zweiten, unabhängigen Bericht gezwungen war, um eine echte Einschätzung der Situation zu ermöglichen. Die Prognose einer öffentlichen Verschuldung von 181 % im Jahr 2070 untergräbt die Nachhaltigkeit der öffentlichen Verwaltungen, zumal die Bilanz des Rentensystems im letzten Jahresbericht der Bank von Spanien nicht explizit aufgeführt wurde, obwohl sie ein vorrangiges Element der NextGenerationEU-Fonds ist.
Spaniens regulatorische Exzesse unter der Lupe der EU
Der Halbjahresbericht der Kommission beleuchtet auch die Entwicklung und Bewertung der Rechtsvorschriften in Spanien. Obwohl Spanien hier nahe am EU-Durchschnitt liegt und Fortschritte erzielt hat, hinkt es im Vergleich zu anderen europäischen Partnern immer noch hinterher. Dies sei “auf schwächere Anforderungen an die Methodik, die systematische Einführung, die Überwachung und die Qualitätskontrollen” zurückzuführen.
Trotz der Bemühungen Spaniens, die Evaluierung der Politiken zu stärken, den institutionellen Rahmen zu verbessern und einen Kompetenzrahmen für die Bewertung öffentlicher Politiken im Rahmen seines Aufbau- und Resilienzplans festzulegen, ist die geplante Agentur für die Evaluierung der öffentlichen Politik noch nicht in Betrieb genommen worden.
Zudem kritisiert die Kommission den Umfang der Regulierungen in Spanien, der in den letzten Jahren, insbesondere durch die Auswirkungen von COVID-19, außergewöhnlich zugenommen hat. Allein im Jahr 2022 erließ die spanische Verwaltung 11.775 neue Regeln, was sich negativ auf die Unternehmen auswirkt, so die Ansicht aus Brüssel.
Abonniere unseren Newsletter