In einer beispiellosen und symbolträchtigen Aktion zum Weltumwelttag hat eine Herde von 800 Schafen in Almudévar, Huesca, ein unübersehbares SOS-Signal durch die spanische Landschaft gesendet. Die von Greenpeace inszenierte Aktion, bei der die Tiere grün gefärbt wurden und ein riesiges “SOS” bildeten, soll nicht nur Aufmerksamkeit erregen, sondern auch die dringende Notwendigkeit eines Wandels im spanischen Agrar- und Ernährungssystem aufzeigen.
Die eindringliche Botschaft der Schafe, die sich mitten in der aragonesischen Natur manifestierte, deckt ein tiefgreifendes Drama auf, das weit über den ländlichen Raum hinausgeht und die gesamte Gesellschaft betrifft. Es geht um die biologische Vielfalt, das Klima, soziale Gerechtigkeit, Gesundheit und letztlich die Zukunft Spaniens.
Das stille Sterben des ländlichen Spaniens
Spanien erlebt einen alarmierenden Verlust seiner ländlichen Strukturen. Woche für Woche verschwinden kleine landwirtschaftliche Betriebe und Viehzuchtbetriebe. Sie werden von einem vorherrschenden Wirtschaftsmodell erdrückt, das die intensive Agrarindustrie und die Profite multinationaler Konzerne über die Ernährungssouveränität der Bevölkerung stellt. Das Ergebnis ist ein extrem produktives, aber zutiefst nicht nachhaltiges Ernährungssystem, das auf tönernen Füßen steht.
Greenpeace-Bericht enthüllt schockierende Zahlen
Ein aktueller Bericht von Greenpeace zeigt auf, dass das spanische Agrar- und Lebensmittelsystem jährlich über 107 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalente emittiert. Diese Zahl katapultiert den Sektor zu einem der Hauptverursacher des Klimawandels in Spanien, noch vor dem Verkehr oder der Stromerzeugung. Während andere Sektoren bereits einen Wandel vollziehen, scheint der Lebensmittelsektor noch im letzten Jahrhundert verhaftet zu sein.
Sollte sich dieser Trend nicht ändern, könnten Lebensmittel bis 2050 zum größten Verursacher von Treibhausgasen weltweit werden. Die Folgen wären verheerend: eine weitere Beschleunigung des Klimawandels, massiver Verlust der biologischen Vielfalt, Nitratkontamination von Grundwasserleitern, Bodenerosion und der Zusammenbruch der Fischerei.
Ein Modell, das das Territorium verschlingt
Der Raubbau an Viehzucht und Landwirtschaft, der übermäßige Einsatz von Düngemitteln und Pestiziden sowie intensive Monokulturen haben die Gesundheit der Ökosysteme Spaniens aufs Spiel gesetzt. Aktuell ist jedes zweite bestäubende Insekt in Spanien vom Aussterben bedroht. Ohne eine Trendumkehr könnten bis 2050 über 300 Pflanzen- und 200 terrestrische Gliederfüßerarten auf der Liste der bedrohten Arten landen.
Die Situation in der marinen Umwelt ist nicht weniger prekär. Überfischung, insbesondere im Mittelmeer, hat die Artenvielfalt bereits um bis zu 3 % reduziert. Es wird erwartet, dass bis zu 428 Arten aus den nationalen Fanggründen verschwinden könnten, wenn das extraktive Modell nicht umgekehrt wird. Greenpeace plädiert hier für ein klares Bekenntnis zur handwerklichen Fischerei und den wirksamen Schutz von 30 % der Gewässer.
Auch auf dem Land wird das Wasser knapper. Die Nitratwerte in vielen Grundwasserleitern überschreiten die gesetzlichen Grenzwerte, was gravierende Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und die Qualität des Trinkwassers hat. Eine Umstellung des Modells könnte diese Verschmutzung bis 2050 um 57 % reduzieren und den Druck auf die Wasserressourcen in einem zunehmend trockenen Land mindern.
Lösungen existieren, doch politische Maßnahmen fehlen
Greenpeace stellt in seinem “Modell für nachhaltige Lebensmittel” fünf Schlüsselmaßnahmen vor, um dieser Entwicklung entgegenzuwirken:
- Förderung der agrarökologischen Produktion.
- Förderung des Anbaus und Konsums lokaler Hülsenfrüchte.
- Reduzierung der industriellen Viehzucht, insbesondere bei Schweinen.
- Priorisierung der handwerklichen Fischerei.
- Ein konsequenter Kampf gegen die Lebensmittelverschwendung.
Diese Maßnahmen, so die Umweltschützer, würden nicht nur den ökologischen Druck verringern, sondern auch die Würde und wirtschaftliche Lebensfähigkeit der ländlichen Gebiete wiederherstellen. Helena Moreno, Leiterin der Landwirtschaftsabteilung bei Greenpeace Spanien, betont: “Die Menschen haben das Recht auf nachhaltige und gesunde Lebensmittel, aber der Profit einiger weniger Unternehmen hat Vorrang vor der Ernährungssouveränität der Bevölkerung. Nahrung muss als Menschenrecht verteidigt werden und nicht als Ware, von der einige wenige Taschen profitieren.”
Die Wahl der Schafherde für diese Aktion ist kein Zufall. Es handelte sich um eine Herde extensiver Wanderschafe und der Churra tensina, einer einheimischen Rasse des nördlichen Subplateaus, die aufgrund der industriellen Viehzucht vom Aussterben bedroht ist.
Während wir auf mutige politische Entscheidungen warten, haben 800 Schafe in Almudévar eine unmissverständliche Botschaft gesendet: Ohne Acker keine Zukunft. Ohne Ernährungswende kein ökologischer Wandel. Das Zuhören auf das, was uns das Land sagt, und die Unterstützung von Hirten, die sich der extensiven Viehzucht verschrieben haben, sowie von Landwirten, die den Boden als Gemeingut behandeln, ist nicht nur eine Frage der Gerechtigkeit, sondern des gesunden Menschenverstands. Der Schutz des ländlichen Raums ist der Schutz unserer Gesundheit, unserer Umwelt und unserer Fähigkeit, uns und zukünftige Generationen gut zu ernähren.
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