Bislang galt Spanien als strategischer Dreh- und Angelpunkt für Unternehmen, die ihre Lieferketten angesichts globaler geostrategischer Verschiebungen neu ausrichten wollen. Die unschlagbare geografische Lage der Iberischen Halbinsel ist ein entscheidender Vorteil, um Logistikknotenpunkte näher an Absatzmärkte und Versorgungsquellen zu rücken und damit Risiken wie Handelsblockaden – man denke an die potenzielle Schließung der Straße von Hormus – zu minimieren. Hinzu kamen sinkende Energiepreise und eine moderne Infrastruktur, die Spanien zu einem attraktiven Ziel machten.
Die Zahlen sprachen für sich: Die Nachfrage nach Logistikflächen in Spanien stieg 2024 um beeindruckende 18 %, während sie im Rest der EU im Durchschnitt um 11 % sank. Doch dieser Boom droht nun durch das schwindende Vertrauen der Anleger jäh gestoppt zu werden. „Es gibt diejenigen, die über Investitionen nachgedacht haben und die Entscheidung aufschieben, oder diejenigen, die 100 investieren wollten und nur 20 setzen, für das, was passieren kann“, erklärt ein Insider die aktuelle Zurückhaltung.
Das Image-Problem: Korruption und regulatorische Hürden schrecken ab
Das Vertrauen internationaler Geldgeber leidet unter dem externen Bild, das Spanien in den letzten Monaten abgibt. Berichte über Korruptionsfälle und die Einführung neuer, restriktiver Geschäftshindernisse erreichen die Chefetagen weltweit und lassen Investoren zögern.
Ein konkretes Beispiel, das die Sorgen der Unternehmen schürt, ist die anhaltende Debatte um die einseitige Verkürzung der Arbeitszeit. Die reale Gefahr, dass die spanische Regierung eine 37,5-Stunden-Woche durchsetzt, verzögert entscheidende Investitionsentscheidungen. Unternehmen befürchten hierdurch Kostensteigerungen von über 10 % – ein Risiko, das viele nicht eingehen wollen. Obwohl die parlamentarische Unterstützung für dieses Vorhaben schwindet und die Bearbeitung bis September gestoppt wurde, bleibt die Unsicherheit bestehen und belastet das Geschäftsklima.
„Ohne Vertrauen gibt es keine Investition“: Alarmierende Signale aus der Wirtschaft
Die Stimmen aus der spanischen Wirtschaft sind eindeutig. Antonio Garamendi, Präsident der CEOE, fasst die Lage prägnant zusammen: „Es ist Unsicherheit in der Ader.“ Miguel Garrido, Präsident des Arbeitgeberverbands von Madrid (CEIM), warnt eindringlich: „Ohne Glaubwürdigkeit gibt es kein Vertrauen. Ohne Vertrauen gibt es keine Investition. Ohne Investitionen gibt es kein Wachstum und ohne Wachstum keine Zukunft.“
Die Logistikbranche, die in Spanien 233.000 Unternehmen umfasst, 1,13 Millionen Menschen beschäftigt und 7 % des BIP erwirtschaftet, wäre von einer Arbeitszeitverkürzung besonders betroffen. Mit einem Umsatz von über 111 Milliarden Euro und einem massiven Wachstum im E-Commerce – von 538 Millionen Sendungen im Jahr 2019 auf voraussichtlich 1,3 Milliarden Sendungen und 3,3 Millionen Lieferungen pro Tag im Jahr 2024 – ist die Branche ein Eckpfeiler der spanischen Wirtschaft.
Doch die Skepsis der Investoren zeigt sich nicht nur in verzögerten Projekten: Die Zahl der neu unterzeichneten Abkommen ist in diesem Jahr bisher um 7 % gesunken. Alarmierender ist der Einbruch der ausländischen Investitionen in Spanien im ersten Quartal um 30 % im Vergleich zum Durchschnitt der letzten fünf Jahre. Nur 4,067 Milliarden Euro flossen ins Land, verglichen mit einem Durchschnitt von 6 Milliarden Euro. Nach einem Rekordjahr 2024 (38,292 Milliarden Euro) signalisiert dieser Rückgang eine besorgniserregende Trendwende.
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