Täglicher Kampf um ein warmes Mittagessen
Rocío del Pilar, 48 Jahre alt, Näherin und alleinerziehende Mutter in Madrid, kennt den täglichen Balanceakt: Während sie arbeitet, wärmt ihre Tochter Gabriela, 16, das vorbereitete Essen auf – oft einfache Gerichte, die sich vom knappen Lohn bezahlen lassen. Ein Platz in der Schulkantine würde vieles erleichtern: gesündere Mahlzeiten, finanzielle Entlastung und mehr Zeit. Doch das Institut, das Gabriela besucht, bietet gar keine Kantine an.
Dieses Problem ist kein Einzelfall, sondern Realität für hunderttausende Familien in Spanien. Nur 18 % der öffentlichen ESO-Schulen verfügen über eine Schulkantine – im Vergleich zu 75 % der privaten oder staatlich subventionierten Schulen.
Harte Zahlen: 1,3 Millionen Kinder ohne Zuschuss
Laut einem aktuellen Bericht der NGO Educo haben 1,3 Millionen armutsgefährdete Kinder in Spanien keinen Zugang zu Essenszuschüssen. Obwohl sich die Zahl der Stipendien in den letzten zehn Jahren verdoppelt hat, reicht die Unterstützung nicht aus:
- Im Jahr 2023 wurden 982.192 Zuschüsse vergeben (15,13 % der Schüler).
- Dennoch bleiben 55,4 % der gefährdeten Kinder ohne Unterstützung.
- In der Sekundarstufe (ESO) nutzen nur 2,9 % der Schüler eine Kantine.
„Es ist keine Laune, es ist ein Bedürfnis“, betont Rocío, die die Kosten für Lebensmittel um 30 bis 50 % senken könnte, wenn ihre Tochter Zugang zu einer geförderten Kantine hätte.
Regionale Ungleichheiten in Spanien
Die Versorgungslage variiert stark je nach Region:
- Baskenland: Armutsquote 20,8 %, Stipendien erreichen 18,4 % der Kinder.
- Galicien: Armutsquote 17,6 %, Abdeckung 14,7 %.
- Murcia: Höchste Armutsquote mit 45 %, aber nur 1,94 % der Schüler erhalten Unterstützung.
Diese territorialen Unterschiede verschärfen die Ungleichheit im Bildungssystem.
Forderungen nach universeller und kostenloser Schulkantine
Educo fordert seit Jahren eine universelle und kostenlose Schulkantine für alle Kinder – unabhängig von der sozialen Lage. Geschätzte Kosten: 6 Milliarden Euro, was nur 0,39 % des spanischen BIP entspricht.
Zum Vergleich: In sieben EU-Ländern wie Finnland, Schweden und Estland ist die kostenlose Schulkantine längst Realität und gilt als wichtiger Faktor im Kampf gegen Kinderarmut.
„Die Kantine darf nicht länger als Dienstleistung betrachtet werden, sondern als grundlegendes Bildungsrecht“, so Pilar Orenes, Generaldirektorin von Educo.
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