
Das Mar Menor, Spaniens ökologisches Juwel, steht erneut an der Schwelle zu einer Umweltkatastrophe. Aktuelle Messungen zwischen dem 14. und 21. Juli zeichnen ein düsteres Bild: Die Konzentration von Chlorophyll und die Wassertrübung nehmen zu, während der für das Überleben der Lagune essenzielle gelöste Sauerstoff abnimmt. Die Lagune nähert sich gefährlich dem Zustand der Hypoxie, einem kritischen Sauerstoffmangel, der verheerende Folgen für die marine Flora und Fauna haben kann.
Aktuelle Messwerte schlagen Alarm: Ein Cocktail aus Hitze und Nährstoffen
Ein am Freitag veröffentlichter Bericht des Wissenschaftlichen Ausschusses, der auf Initiative der Hüterschaft des Mar Menor erstellt wurde, bestätigt die ernste Lage. Obwohl die Grenzwerte für eine ausgewiesene Hypoxie (zwischen 2-4 mg/l Sauerstoff) noch nicht flächendeckend unterschritten sind, befindet sich das System innerhalb der Risikogrenzen. Die Berichte des renommierten IEO-CSIC Instituts zeigen, dass die Chlorophyllwerte in den letzten zwei Wochen Spitzen erreicht haben, die höher sind als vor zwei Jahren. Diese Entwicklung ist ein klares Indiz für eine fortschreitende Eutrophierung.
Gleichzeitig stellt der Ausschuss jedoch erhebliche Diskrepanzen bei den Messdaten verschiedener Forschungsgruppen fest. Diese unterschiedlichen Ergebnisse erschweren eine vergleichende Analyse und die Ableitung verlässlicher historischer Referenzen.
Die doppelte Bedrohung: Klimawandel und Eutrophierung als Brandbeschleuniger
Die Ursachen für die aktuelle Zuspitzung sind vielschichtig, doch zwei Faktoren kristallisieren sich heraus: der jüngste extreme Temperaturanstieg im Wasser der Lagune und der unaufhörliche Eintrag von Nährstoffen. Die Hitze schwächt die Widerstandsfähigkeit des Ökosystems erheblich.
Insbesondere die Alge Caulerpa prolifera, die in den tieferen Zonen dominiert, leidet unter den hohen Temperaturen. Ihr Stoffwechsel und ihre Photosynthese-Rate werden reduziert. Das hat zur Folge, dass Nährstoffe, die normalerweise von dieser Alge gebunden würden, für das explosive Wachstum von Phytoplankton (mikroskopisch kleine Algen) zur Verfügung stehen. Dieses Phytoplankton ist verantwortlich für die erhöhten Chlorophyllwerte und die zunehmende Trübung des Wassers. Ein Teufelskreis beginnt: Die Trübung reduziert den Lichteinfall, was wiederum die Pflanzengemeinschaften am Grund der Lagune schädigt und den Sauerstoffmangel weiter verschärft.
Forderung der Wissenschaft: Einigkeit und schnelles Handeln gefordert
Angesichts der Daten-Diskrepanzen und der ernsten Lage appelliert der Wissenschaftliche Ausschuss eindringlich an die zuständigen Verwaltungen – vom Ministerium für den ökologischen Wandel bis zur Regionalregierung. Die Experten fordern eine sofortige Koordination aller Informationsquellen (Universitäten, IEO, CSIC) und die Einrichtung einer zentralen Überwachungsplattform, die Daten in Echtzeit sammelt und zugänglich macht.
Ein entscheidender Schritt ist die sogenannte Interkalibrierung. Alle Forschungsteams müssen ihre Messmethoden und Sensoren dringend abgleichen und standardisieren, um vergleichbare und verlässliche Daten zu gewährleisten. Nur so können Frühwarnsysteme effektiv etabliert und Reaktionsprotokolle für Extremereignisse entwickelt werden, um zukünftige kritische Episoden im Mar Menor zu verhindern oder abzumildern. Die Überwachung der Umweltparameter in den kommenden Tagen und Wochen wird entscheidend sein, um die weitere Entwicklung dieser alarmierenden Situation zu bewerten.
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