In der spanischen Hauptstadt klafft eine tiefe Lücke bei der Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge. Während das Zentrum gut ausgestattet ist, bleiben bevölkerungsreiche Stadtteile abgehängt. Experten warnen: “Wenn alles so weitergeht, wird die Elektromobilität immer ein Geschäft für die Reichen sein.”
Seit Jahren prägt der Slogan “Elektromobilität ist Zukunft” den europäischen Automobilmarkt. Doch in Spanien hinkt die Realität den Zielen hinterher. Laut dem spanischen Verband der Automobil- und Lkw-Hersteller (ANFAC) muss “die Elektrifizierung beschleunigt werden”. Ein Blick auf die Zahlen bestätigt dies: Ende 2024 machten batterieelektrische Fahrzeuge (BEVs) mit rund 234.000 Autos nur 5,6 % des gesamten Fahrzeugbestands aus. Ein Wert, der meilenweit von den 5,5 Millionen Elektrofahrzeugen entfernt ist, die die Regierung bis 2030 auf den Straßen sehen will.
“In unserem Land erreicht die Fahrzeugflotte nicht einmal 2 %, was im Vergleich zum Rest Europas wirklich schade ist”, betont Carlos Vázquez, Geschäftsführer von Qwello in Spanien. Das Land liegt nicht nur bei der Anzahl der E-Fahrzeuge, sondern auch bei der Ladeinfrastruktur deutlich unter dem europäischen Durchschnitt.
Die ungleiche Verteilung der Ladepunkte in Madrid
Der Fortschritt hängt entscheidend von der Verfügbarkeit von Ladestationen ab. In Madrid, dem nationalen Hotspot der Elektromobilität, wird zwar auf Schnellladepunkte (über 50 Kilowatt) gesetzt, doch die Verteilung ist extrem unausgewogen. Von den 131 Stadtvierteln (“barrios”) der Hauptstadt verfügten Ende 2024 nur 67 über solche schnellen Lademöglichkeiten.
Besonders benachteiligt sind bevölkerungsreiche Bezirke wie Arganzuela, Latina, Carabanchel, Usera und Puente de Vallecas. In diesen Gebieten, in denen Hunderttausende Menschen leben, gibt es nur in wenigen ausgewählten Vierteln Schnellladesäulen. Der Bezirk Barajas ist ebenfalls stark betroffen. Diese Konzentration der Infrastruktur auf wenige, oft wohlhabendere Gegenden zementiert eine soziale Spaltung.
“Sie lassen Millionen von Menschen ohne Strom und Zugang zurück, die am meisten an wirtschaftlichen Fahrzeugen interessiert sind”, kritisiert Álvaro Sauras, Vizepräsident des Verbands der Nutzer von Elektrofahrzeugen (AUVE). Er erklärt, dass für den Bau von großen Lade-Hubs Zuverlässigkeit und Sicherheit nötig seien – Faktoren, die in Gebieten, in denen Elektroautos kaum präsent sind, fehlen. So entsteht ein Teufelskreis.
Die Zahlen sind frappierend: Während die Viertel Sol und das historische Zentrum von Villa de Vallecas zusammen mehr Schnellladepunkte aufweisen als die fünf am stärksten benachteiligten Bezirke zusammengenommen, bleibt der Zugang für die breite Masse verwehrt.
Ein Geschäft für die Reichen?
Carlos Vázquez von Qwello findet deutliche Worte für dieses Ungleichgewicht: “Wenn alles so weitergeht, wird die Elektromobilität immer ein Geschäft für die Reichen sein, die heute diejenigen sind, die Elektrofahrzeuge kaufen.” Er fügt hinzu: “Wer Schwierigkeiten hat, seine Kinder zu ernähren, denkt nicht an Elektromobilität.” Die Politik versäume es, eine Ladeinfrastruktur zu schaffen, die den einfachen Leuten finanzielle Einsparungen ermöglicht.
Ein weiteres Problem sind die Kosten. Das Aufladen an einem Schnellladepunkt ist laut Repsol-Daten rund 50 % teurer als an einer langsameren Säule (0,45 €/kWh gegenüber 0,30 €/kWh). Vázquez plädiert dafür, nicht über Ladeleistung, sondern über Wirtschaftlichkeit zu sprechen. “Das ist es, was die Bevölkerung interessiert.”
Bürokratie und fehlende Parkmöglichkeiten als Bremsklötze
Experten sind sich einig: Die Hauptstadt Spaniens ist nicht bereit für den Massenumstieg auf die Elektromobilität. Ein Hauptgrund, so Sauras von der AUVE, ist die Parkplatzsituation. “In Madrid hat die Stadtverwaltung Parkplätze aller Art konzipiert, aber keine für Elektroautos.” Etwa 70 % der Fahrzeuge parken auf der Straße, ohne Zugang zu einer Steckdose. Nur etwa jeder vierte Bewohner in den großen Stadtzentren besitzt einen Garagenplatz.
Obwohl sich jedes dritte Elektroauto Spaniens in Madrid befindet, hinkt die Hauptstadt bei der Infrastruktur hinterher. Katalonien beispielsweise überholt die Region Madrid mit fast 5.000 zusätzlichen Ladepunkten.
Die Bürokratie verlangsamt den Ausbau zusätzlich. “Es kann mehr als ein Jahr dauern, bis eine Hochleistungsladestation in Betrieb ist”, erklärt Félix García von ANFAC. Kommunale Ausschreibungen, bei denen oft der Betreiber den Zuschlag erhält, der die höchste Gebühr zahlt, treiben die Preise für die Endverbraucher weiter in die Höhe.
Die Experten sind sich einig: Anstatt nur auf teure Schnelllader zu setzen, die im städtischen Alltag oft gar nicht nötig sind – ein E-Auto steht 97 % seiner Zeit geparkt –, braucht es eine flächendeckende, günstige und zugängliche Ladeinfrastruktur. “Es sollte Ladegeräte für Elektrofahrzeuge geben, fast wie Straßenlaternen”, fordert Vázquez. Nur so kann die Elektromobilität für alle zugänglich werden und aufhören, ein Privileg für wenige zu sein.
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