
In der spanischen Stadt Jumilla, Heimat von rund 27.000 Menschen in der sonnigen Region Murcia, wurde eine Entscheidung getroffen, die landesweit für Aufsehen und hitzige Diskussionen sorgt. Ein neuer Erlass verbietet islamische religiöse Feiern im öffentlichen Raum und macht Jumilla damit zur ersten Stadt in Spanien, die einen solch drastischen Schritt wagt. Die Maßnahme löst eine neue Welle der Debatte über Religionsfreiheit, nationale Identität und Integration aus.
VOX feiert das Verbot: “Spanien bleibt ein Land christlicher Wurzeln”
Kern des umstrittenen Erlasses ist eine Verordnung, die die Nutzung öffentlicher Einrichtungen – insbesondere von Sportanlagen – für Veranstaltungen untersagt, die als “fremd zu unserer Identität” eingestuft werden. Obwohl die Formulierung bewusst vage gehalten ist, zielt sie unmissverständlich auf die gemeinschaftlichen Gebete zum islamischen Opfer- und Zuckerfest ab. Für die etwa 1.500 muslimischen Einwohner von Jumilla, die diese Tradition seit Jahren pflegen, ist die Entscheidung ein Schock, wie spanische Medien berichten.
Die politische Rechte feierte den Schritt indes ohne Umschweife. Die Partei VOX verkündete auf der Plattform X (ehemals Twitter) triumphal: “Jumilla schreibt Geschichte. Spanien ist und wird immer das Land der christlichen Wurzeln bleiben.” Diese Botschaft lässt keinen Zweifel an der Intention hinter der Verordnung.
Heftige Kritik: Vorwürfe der “Islamophobie und Diskriminierung”
Die Reaktionen von Menschenrechtsorganisationen, muslimischen Verbänden und linken Politikern ließen nicht lange auf sich warten. Sie bezeichnen die Regelung einstimmig als diskriminierend und äußern erhebliche Zweifel an ihrer Verfassungsmäßigkeit.
Francisco Lucas, ein führender Sozialist in der Region Murcia, zog einen beunruhigenden Vergleich zu den jüngsten migrantenfeindlichen Unruhen in Torre Pacheco. Die Stadt, nur 110 Kilometer entfernt, erlebte gewaltsame Ausschreitungen nach einem Angriff auf einen Rentner durch einen marokkanischen Jugendlichen. “Sie haben nichts gelernt, das ist ein Akt der Verantwortungslosigkeit”, warnte Lucas. “Sie schüren weiterhin Hass und provozieren einen sozialen Bruch mit unabsehbaren Folgen.”
Mounir Benjelloun Azhari, der Präsident der Spanischen Föderation islamischer Religionsgemeinschaften (FEERI), nannte das Verbot in Jumilla “islamophob und diskriminierend”. Gegenüber der Zeitung El País erklärte er: “Sie haben es nicht auf andere Religionen abgesehen, sondern auf unsere.” Nach 30 Jahren in Spanien verspüre er zum ersten Mal “Angst” vor den aktuellen Entwicklungen.
Stellungnahme der Stadt: “Es geht nicht gezielt gegen den Islam”
Die lokalen Behörden bemühen sich, die religiöse Brisanz der neuen Regelung herunterzuspielen. Die stellvertretende Bürgermeisterin von Jumilla, Mari Carmen Cruz Vicente, betonte, dass der Islam in der Verordnung nicht explizit erwähnt werde. Das Ziel sei lediglich, öffentliche Einrichtungen für ihren ursprünglichen Zweck zu bewahren: Sport, offizielle städtische Veranstaltungen und kommunale Programme.
Kritiker halten dem entgegen, dass der Zeitpunkt und die begleitende politische Rhetorik eine andere Sprache sprechen. Islamische Hochfeste wie Eid al-Fitr und Eid al-Adha, die bisher mit Gebeten in den städtischen Sportzentren gefeiert wurden, benötigen nun eine Sondergenehmigung des Stadtrats – deren Erteilung als höchst unwahrscheinlich gilt.
Ein Pulverfass? Wachsende Spannungen um Einwanderung und Identität
Die Kontroverse in Jumilla fällt in eine Zeit, in der Spanien, ähnlich wie viele andere europäische Länder, mit wachsenden Spannungen in den Bereichen irreguläre Einwanderung, religiöse Integration und nationale Identität ringt. Dabei besitzt gerade Jumilla eine reiche multikulturelle Vergangenheit. Vor der christlichen Reconquista im 13. Jahrhundert war die Stadt unter arabischer Herrschaft als Yumil-la bekannt. In dem aktuell aufgeheizten gesellschaftlichen Klima könnte Jumilla ein Präzedenzfall sein, dem weitere Städte folgen könnten.
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