Invasive Arten in Spanien: Wie Feuerfisch und Feuerwurm das Mittelmeer erobern

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Invasive Arten in Spanien: Wie Feuerfisch und Feuerwurm das Mittelmeer erobern
Image by Linny from Pixabay

Das Mittelmeer, einst die Wiege der Zivilisationen und ein Sehnsuchtsort für Millionen, durchlebt eine dramatische Verwandlung. Angetrieben durch unaufhaltsam steigende Wassertemperaturen, erleben wir einen Prozess, den Wissenschaftler als “Tropikalisierung” bezeichnen. Exotische, wärmeliebende Arten aus dem Süden dringen in unsere Gewässer vor, während alteingesessene Ökosysteme kollabieren. Die Folgen sind bereits heute spürbar – für die Natur, die Wirtschaft und für jeden einzelnen von uns.

Rekordtemperaturen als Treiber des Wandels

Die Daten des Copernicus Climate Change Service malen ein düsteres Bild. Im Juni erreichte die durchschnittliche Meeresoberflächentemperatur bereits 20,72 °C, den dritthöchsten Wert, der je für diesen Monat gemessen wurde. Besonders dramatisch ist die Lage im westlichen Mittelmeer, das von einer beispiellosen marinen Hitzewelle heimgesucht wird. Hier wurde mit 27,0 °C die höchste jemals gemessene tägliche Durchschnittstemperatur für diesen Bereich im Juni registriert. Ein absoluter Schock-Rekord wurde am 30. Juni an der Dragonera-Boje mit 30,5 °C gemessen – fast sieben Grad über dem Normalwert. Diese extremen Bedingungen sind der Nährboden für eine biologische Revolution unter der Wasseroberfläche.

Neue Bewohner: Exotische Arten erobern das Mittelmeer

Eine aktuelle Studie des Spanischen Instituts für Ozeanographie (IEO-CSIC) bestätigt, was viele befürchtet haben: Ein wissenschaftliches Team hat 25 neue Fischnachweise im spanischen Mittelmeer dokumentiert, von denen 23 Arten hier noch nie zuvor gesehen wurden. Forscher wie José Carlos Báez vom IEO-CSIC erklären, dass Arten aus wärmeren Gefilden über die Straße von Gibraltar oder den Suezkanal einwandern, sich akklimatisieren und beginnen, mit heimischen Arten um Lebensraum und Nahrung zu konkurrieren.

Zu den prominentesten Neuankömmlingen gehören:

  • Der Feuerwurm (Hermodice carunculata): Einst nur auf den Kanaren zu Hause, wird er nun vermehrt auch an der katalanischen Küste gesichtet. Seine Berührung kann schmerzhafte Reizungen verursachen.
  • Der Feuerfisch (Pterois miles): Diese im Indischen Ozean beheimatete Art ist eine besondere Bedrohung. Er ist “territorial, giftig, aggressiv und gefräßig” und wurde bereits in den Gewässern von Almería nachgewiesen, wo er heimische Arten stresst und deren Populationen dezimiert.
  • Der kanarische Altfisch (Sparisoma cretense): Auch bekannt als Papageienfisch, breitet er sich rasant aus und wurde erstmals auf den Balearen und in Almería gesichtet, was seine unaufhaltsame Expansion nach Westen bestätigt.

Die stillen Opfer: Einheimische Ökosysteme unter Druck

Während neue Arten kommen, sterben andere leise. Besonders betroffen sind ortsgebundene, benthische Organismen, die der Hitze nicht entfliehen können. Das prominenteste Opfer ist die Posidonia oceanica, das Neptungras. César Bordehore, Professor für Meeresökologie an der Universität Alicante, warnt: “Wir sehen, wie große Flächen, die früher Wiesen von Posidonia waren, verschwinden.” Diese Unterwasserwiesen sind die Lungen des Mittelmeers. Sie reinigen das Wasser, produzieren Sauerstoff, binden Kohlenstoff und dienen unzähligen Arten als Brutstätte und Zufluchtsort. Ihr Tod hat katastrophale Folgen für die gesamte marine Artenvielfalt.

Weitreichende Folgen für Mensch, Wirtschaft und Wetter

Die Tropikalisierung bleibt kein abstraktes, ökologisches Problem. Sie hat handfeste Konsequenzen für unseren Alltag und unsere Wirtschaft.

  • Tourismus: Forscher Báez warnt: “Spanien ist ein Touristenland, das vom ‘frittierten Fisch’, dem Sardinenspieß und dem Strand lebt.” Die Verschlechterung der Wasserqualität und das Auftauchen invasiver Arten wie der asiatischen Alge (Rugulopteryx okamurae), die Strände und Fischernetze verstopft, bedrohen dieses Modell.
  • Fischerei: Fischer fangen zunehmend Arten mit geringerem kommerziellen Wert wie die blaue Krabbe oder den Feuerfisch, während traditionelle Fänge zurückgehen.
  • Wetter und Gesundheit: Ein wärmeres Meer führt zu tropischeren Nächten, in denen die Temperatur nicht unter 20 °C oder sogar 25 °C sinkt. Dies erschwert die Erholung und stellt ein Gesundheitsrisiko dar. Zudem steigt die Gefahr für die Bildung von extremen Stürmen und Unwettern.

Lösungsansätze: Können Meeresschutzgebiete helfen?

Angesichts dieser Bedrohung fordern Experten wie Bordehore ein Umdenken. Er plädiert für die Schaffung von großflächigen Meeresschutzgebieten, in denen 30 % des Meeres nicht befischt werden dürfen. Der Grund: “Fische und Krebstiere legen umso mehr Eier im Verhältnis zu ihrem Gewicht, je älter sie sind und je größer sie sind.” Große, alte Individuen sind exponentiell reproduktiver. Solche Schutzgebiete könnten als “Fischfabriken” dienen, deren Nachwuchs auch die befischbaren Gebiete wieder auffüllt und so die Fischerei langfristig sichert. Das Paradigma muss sich ändern: weg von der reinen Entnahme, hin zu einem nachhaltigen Management, das die Resilienz des Meeres stärkt. Das Mittelmeer steht an einem Wendepunkt, und nur entschlossenes Handeln kann diesen einzigartigen Lebensraum noch retten.


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