Die malerische Stadt Girona in Katalonien, berühmt für ihre gepflasterten Gassen, historischen Bauten und als Drehort für “Game of Thrones”, zieht Besucher aus aller Welt an. Doch mit der Beliebtheit wächst auch der Druck. Um dem Massentourismus intelligent zu begegnen, hat die Stadt mit rund 150.000 Einwohnern nun eine zukunftsweisende Initiative gestartet und entwickelt sich zu einem Vorreiter des “Smart Tourism” in Europa.
Die Einführung von Sensoren im historischen Herzen der Stadt
Seit diesem Sommer sind neun hochmoderne Sensoren im Barri Vell, der wunderschönen und oft überlaufenen Altstadt, aktiv. Ihre Mission: die anonymisierte Erfassung von Mobilfunksignalen. Das System analysiert, wie sich Besucher durch die Stadt bewegen, wo sie verweilen und wie lange sie bleiben. Dabei wird unterschieden, ob es sich um Einheimische, Tagesausflügler oder Übernachtungsgäste handelt, um ein präzises Bild der Besucherstruktur zu erhalten.
Das Ziel: Harmonie statt Überwachung
Die Vizebürgermeisterin von Girona, Gemma Geis, betont, dass es sich hierbei nicht um Überwachung handelt. Vielmehr sei es eine Maßnahme für einen intelligenten und nachhaltigen Tourismus. “Wir wollen ein Gleichgewicht schaffen”, so Geis. “Eine Harmonie zwischen Besuchern und Einheimischen.” Das Ziel ist es, den Fußgängerverkehr besser zu lenken, Überfüllung zu vermeiden und die Lebensqualität für die Anwohner zu sichern, insbesondere wenn große Reisegruppen die Stadt erreichen.
Wie funktioniert die Technologie?
Das System nutzt anonymisierte Pings von Mobiltelefonen, um Bewegungsprofile zu erstellen. Die Daten sind vollständig anonym und lassen keine Rückschlüsse auf Einzelpersonen zu. Es geht lediglich darum, Muster zu erkennen: Hat ein Besucher nur kurz für ein Selfie an der berühmten Brücke angehalten oder hat er sich entschieden, länger zu bleiben, vielleicht sogar ein Hotel zu buchen und tiefer in das mittelalterliche Flair der Stadt einzutauchen? Zusätzlich werden die Busparkplätze mit Sensoren im Asphalt überwacht. So erfasst die Stadt, wie viele Reisebusse ankommen und wie lange sie parken, was eine bessere Planung ermöglicht.
Ein Baustein für Gironas Zukunft als “Smart Tourism”-Zentrum
Diese Initiative ist Teil eines größeren, von der EU geförderten Projekts namens “Menja’t Girona” (was so viel wie “Verschlinge Girona” bedeutet). Mit über 20.000 Euro aus EU-Mitteln will sich die Stadt von einem reinen Tagesausflugsziel zu einem Kraftzentrum für intelligenten Tourismus entwickeln. Die gesammelten Daten sollen helfen, Besucherströme gezielter über die Stadt zu verteilen und Veranstaltungen so zu planen, dass Stoßzeiten vermieden werden.
Ein Blick in die Zukunft des Städtetourismus
Während einige Kritiker Bedenken hinsichtlich des Datenschutzes äußern, sehen viele Befürworter darin eine notwendige digitale Strategie, um moderne Tourismusströme zu bewältigen, ohne dass Städte ihre Identität verlieren. Girona möchte nicht weniger Touristen, sondern einen intelligenteren Tourismus – weniger Gedränge und mehr Raum für authentische Erlebnisse. Die Sensoren werden bis Mai 2026 Daten sammeln. Die Ergebnisse dieser einjährigen Testphase werden entscheidend dafür sein, wie Girona und möglicherweise auch andere Städte in Zukunft Infrastruktur, Veranstaltungen und das gesamte Besuchererlebnis gestalten. Wenn diese Strategie zu einem besseren Miteinander führt, könnte sie ein wegweisendes Modell für ganz Europa sein.
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