Die geheime Sánchez-Akte – Sex, Lügen und Spionage: Wie Kommissar Villarejo 2014 Pedro Sánchez stürzen sollte

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Sánchez streicht seine Agenda und fragt sich ob er nach den Ermittlungen gegen seine Frau vom Regierungspräsidium zurücktreten sollte

Die Provinzstaatsanwaltschaft von Madrid hat offizielle Ermittlungen eingeleitet, um einen der dunkelsten Flecken der jüngeren spanischen Politikgeschichte auszuleuchten. Im Zentrum steht die sogenannte “Operation Sánchez”, ein mutmaßlich vom Innenministerium unter der Regierung von Mariano Rajoy inszenierter Plan, den damals frisch gewählten PSOE-Generalsekretär Pedro Sánchez mit einer Schmutzkampagne zu diskreditieren und politisch zu vernichten. Hauptakteur: der berüchtigte Ex-Kommissar José Manuel Villarejo.

Eine brisante Akte als Beweismittel

Den Stein ins Rollen brachte die Beschwerde des Geschäftsmannes Javier Pérez Dolset, die seit dem 17. Juli von der Justiz geprüft wird. Pérez Dolset, selbst in einem der vielen Ableger des Villarejo-Falls angeklagt, legte den Ermittlern ein entscheidendes Dokument vor: eine fünfseitige Informationsnotiz, datiert auf den 9. November 2014, verfasst von José Manuel Villarejo. Dieses Dokument sollte, so die Vorwürfe, direkt an den damaligen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy und seine Vize-Regierungschefin Soraya Sáez de Santamaría gehen.

In dem Vermerk werden schwere Vorwürfe gegen den heutigen Regierungschef erhoben. Es ist die Rede davon, dass Sánchez von den “lukrativen Geschäften seines Schwiegervaters” – von Villarejo verächtlich als “Bordelle” bezeichnet – profitiere und in Korruptionsfälle verwickelt sei, um seinen Aufstieg innerhalb der PSOE zu beschleunigen. Der Bericht selbst gibt seinen Ursprung preis: Er sei eine Reaktion auf die “Anweisungen der Überlegenheit” nach der Wahl von Pedro Sánchez zum Generalsekretär der Sozialisten.

Illegale Spionage gegen die gesamte Familie

Die von Villarejo zusammengetragenen “Informationen” gehen weit über politische Manöver hinaus und offenbaren eine mutmaßlich illegale Überwachung, die sich gegen die gesamte Familie von Sánchez richtete. Betroffen waren nicht nur seine Frau, Begoña Gómez, und seine Töchter, sondern auch sein Schwiegervater und dessen Brüder. Die Details in der Akte sind perfide und zielen darauf ab, Sánchez als skrupellosen Charakter darzustellen, der von einem angeblich anrüchigen Familienumfeld profitiert.

So heißt es in Villarejos Notiz, Sánchez habe “eine beunruhigende Geschichte von Verhaltensweisen” und seine Verbindung zur Familie seiner Frau sei ein “schädlicher Einfluss” aufgrund deren angeblicher “Verbindungen zur sexuellen Ausbeutung”. Interessanterweise sind dies exakt jene Narrative, die heute von der politischen Opposition unter Alberto Núñez Feijóo wieder aufgegriffen werden.

Aufnahmen belegen den politischen Auftrag

Die Beschwerde von Pérez Dolset stützt sich nicht nur auf das schriftliche Dokument, sondern auch auf Audioaufnahmen, die Villarejos Vorgehen in einem noch düstereren Licht erscheinen lassen. In Gesprächen mit der damaligen Nummer zwei im Innenministerium, Francisco Martínez, prahlte Villarejo offen mit seinem Wissen über Sánchez’ Schwiegervater und dessen Saunabetriebe.

Ein aufgezeichneter Dialog aus dem August 2014 verdeutlicht die Intention hinter der Operation:

  • Martínez: “Das haut ihn [Pedro Sánchez] um. Das würde jeden politisch töten. (…) Ein linker Typ, der mit der Fahne der Rolle geht, ist diese Feministin, sehr feministisch und hat es voll von polnischen Frauen, die in einer Sauna Schwänze lutschen.”
  • Villarejo: “Das ist tödlich, tödlich. (…) Es ist ein Thema, das man nur mit dem Präsidenten und der Nummer eins besprechen sollte, um es ihm zu einem bestimmten Zeitpunkt zu sagen… Wir haben solche Informationen…”

In weiteren Aufnahmen vom September 2014 bestätigte Villarejo gegenüber einem Geschäftsmann, dass er einen “formellen Auftrag” vom damaligen Innenminister Jorge Fernández Díaz erhalten habe, einen Bericht über die “Puticlubs” (Bordelle) zu erstellen.

Gezielte Diffamierung

Der Bericht ist gespickt mit Unwahrheiten und Verdrehungen, die offensichtlich dazu dienten, ein Zerrbild von Pedro Sánchez zu zeichnen. So wird fälschlicherweise behauptet, Sánchez sei Mitglied im Vorstand der Caja Madrid gewesen, um die “saftigen Vorteile” dieser Position zu genießen. Tatsächlich war er lediglich eines von 320 Mitgliedern der Generalversammlung – eine Position, die er sich mit vielen anderen Lokalpolitikern von PSOE, PP und IU teilte und die nur mit einer geringen Aufwandsentschädigung verbunden war.

Villarejo empfahl seinen Vorgesetzten sogar, die Überwachungsteams auszutauschen, da er befürchtete, Sánchez, “ein sehr fähiges Subjekt mit den Tugenden eines Strategen”, könnte die Bespitzelung bereits bemerkt haben. Nur ein Jahr später, im Oktober 2015, kurz vor den Parlamentswahlen, tauchten Teile der Informationen aus Villarejos Notizen in einigen Medien auf – ein klares Indiz dafür, dass die gesammelten “Erkenntnisse” gezielt für eine politische Schmutzkampagne genutzt wurden.


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