Das geheime Netzwerk: Wie 170 km Kanäle Madrids Lebensadern steuern

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Das geheime Netzwerk: Wie 170 km Kanäle Madrids Lebensadern steuern
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Madrid, eine Stadt, die niemals schläft, birgt unter ihrer Oberfläche ein faszinierendes Geheimnis: Ein komplexes, über 170 Kilometer langes Labyrinth aus unterirdischen Kanälen, das entscheidend für das tägliche Leben der Metropole ist. Dieses gigantische Netzwerk, oft als „verborgene Stadt“ bezeichnet, ist das Rückgrat der städtischen Versorgung und transportiert essenzielle Dienste wie Strom, Glasfaser und Wasser.

Das Herzstück der Infrastruktur: 170 km Kanäle unter Madrid

Mit 237 versteckten Ein- und Ausgängen, die sich auf Bürgersteigen, in Tunneln oder sogar in prominenten Gebäuden wie den Cuatro Torres, dem Palacio de Congresos de la Castellana oder dem Torre Picasso befinden, ist dieses System ein Meisterwerk der Ingenieurskunst. Carlos Rubio, stellvertretender Generaldirektor für städtische Einrichtungen der Stadtverwaltung Madrid, betont die kritische Bedeutung dieser Infrastruktur: „Stellen Sie sich vor, diese Türme, den Stadtrat, Theater oder Gewerbegebiete ohne Strom zu lassen.“ Die Gewährleistung der Versorgungssicherheit ist somit eine Top-Priorität.

Ständige Weiterentwicklung und neue Technologien

Die unterirdische Infrastruktur Madrids ist ein lebendiges System, das sich ständig weiterentwickelt, um den wachsenden Anforderungen einer modernen Metropole gerecht zu werden. Neue Galerien integrieren fortlaufend innovative Technologien zur Kontrolle und Sicherheit. Jüngste Erweiterungen im Südosten Madrids umfassen beispielsweise 20 weitere Kilometer Kanäle, die aufbereitetes Wasser für Parks, Reinigungsdienste und andere städtische Aufgaben führen. Auch die Anbindung von Ladestationen für Elektrofahrzeuge durch neue Stromleitungen ist ein Beispiel für die Anpassungsfähigkeit dieses Netzwerks.

Die unterirdischen Gänge verlaufen unter den Hauptverkehrsadern der Stadt und bieten eine erstaunliche Konnektivität. Man kann von einem Eingang in der Nähe des Santiago Bernabéu-Stadions durch die Tunnel bis zur Puerta del Sol oder zum Viertel Manuel Becerra gelangen. An wichtigen Straßen wie Príncipe de Vergara oder Paseo de Recoletos gibt es auf jeder Seite des Bürgersteigs einen Zugang, insgesamt 105 Durchgänge.

Ein großer Vorteil dieser unterirdischen Arbeiten ist die minimale Beeinträchtigung des öffentlichen Lebens. Da die Arbeiten im Verborgenen stattfinden, müssen keine Bürgersteige aufgerissen werden. Rubio erklärt: „Im Moment werden auf dem Paseo del Prado Rohre mit einem Durchmesser von mehr als einem Meter erneuert, und niemand findet es heraus.“ Die Größe der Korridore ermöglicht zudem eine schnelle Installation neuer Leitungen, was bei oberirdischen Rohren oft nicht möglich ist. Die Gänge befinden sich typischerweise 15 Meter unter der Erde, können aber auch bis zu 25 Meter Tiefe erreichen.

Höchste Sicherheitsstandards und permanente Überwachung

Angesichts der immensen Bedeutung dieser Infrastruktur sind die Sicherheitsmaßnahmen von entscheidender Bedeutung. Im Kontrollzentrum für städtische Einrichtungen im Stadtteil Azca überwachen rund zwanzig Mitarbeiter die Galerien 24 Stunden am Tag, 365 Tage im Jahr. Kameras mit Nachtsichtfunktion liefern Echtzeitinformationen und ermöglichen die Kontrolle des Zugangs sowie die schnelle Reaktion auf Zwischenfälle. Rauchmelder alle 50 Meter und Gassensoren alle 100 Meter sorgen für zusätzliche Sicherheit. Kein Mitarbeiter betritt die Tunnel ohne einen Gasdetektor, um den Sauerstoff- und Gasgehalt kontinuierlich zu überprüfen. Im Ernstfall stehen die Mitarbeiter des Zentrums in direktem Kontakt mit den Rettungsdiensten und übermitteln präzise Standortinformationen. Die Spezialeinheit Untergrund der Nationalpolizei unterstützt die permanente Überwachung, die bei besonderen Ereignissen wie dem NATO-Gipfel intensiviert wird.

Zentrale Steuerung von Tunneln, Brunnen und Beleuchtung

Das Kontrollzentrum ist nicht nur für die unterirdischen Galerien zuständig, sondern steuert auch 40 städtische Tunnel (mit Ausnahme der Calle 30), über 264.000 Laternenpfähle der öffentlichen Beleuchtung und 436 Zierbrunnen. Die komplexeste Aufgabe sind laut Carlos Rubio die Tunnel, da hier ständig Fahrzeuge verkehren und eine Vielzahl von Unfällen passieren kann. Das Zentrum verfügt über zahlreiche Handlungsalternativen: von der Schließung eines Tunnels über die Aktivierung von Ampeln und Schranken bis hin zur Anpassung der Lüftungssysteme, Erhöhung der Beleuchtung oder Information über Fahrspurabschnitte auf digitalen Anzeigetafeln. All dies kann über die 860 Tunnelkameras sofort aktiviert werden.

Der technologische Fortschritt hat auch das Management der öffentlichen Beleuchtung revolutioniert. Dank 2.500 Sensoren, die in ganz Madrid verteilt sind, kann die Leuchtkraft intelligent angepasst werden. Vor Geschäftsschluss ist sie maximal, wird dann um 80 % reduziert und erreicht in den frühen Morgenstunden 60 % weniger Beleuchtung als am Abend. Bei Veranstaltungen kann das Kommandozentrum die Intensität der Lichter zum Zeitpunkt des Verlassens durch das Publikum erhöhen.

Auch die Zierbrunnen werden zentral gesteuert. Früher wurde jeder Brunnen manuell ein- und ausgeschaltet; heute übernimmt ein kleiner Automat diese Aufgabe und kontrolliert weitere Parameter wie die Wasserqualität oder die Windstärke, um gegebenenfalls die Höhe der Düsen zu reduzieren und so ein Benetzen der Straße zu vermeiden. Selbst wenn sich die Farbe des Cibeles-Brunnens ändert, spiegelt sich dies im Kontrollzentrum wider. Für den Fall eines Stromausfalls verfügt das Zentrum über ein unterbrechungsfreies Stromversorgungssystem, das 45 Minuten lang in Betrieb bleibt, bevor Dieselgeneratoren die Energieversorgung übernehmen. Um die kontinuierliche Funktion der grundlegenden Dienste Madrids zu gewährleisten, existiert zudem ein Replika-Zentrum, das im Falle eines Zwischenfalls im Hauptzentrum die Aufgaben übernehmen kann.


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