Chinesische Reifenflut rollt über Spanien: Traditionelle Marken unter Druck

323
Chinesische Reifenflut rollt über Spanien: Traditionelle Marken unter Druck
Image by fxquadro on Freepik

Der spanische Markt erlebt eine beispiellose Welle chinesischer Reifen, die mit ihren aggressiven Preisen traditionelle Schwergewichte wie Michelin, Bridgestone und Continental massiv unter Druck setzen. Was mit dem Vormarsch chinesischer Automobile begann, weitet sich nun auf andere Industriesektoren aus und stellt etablierte Akteure vor große Herausforderungen.

Der Vormarsch aus Fernost: Eine Marktanalyse

Firmen wie Haida, Lanvigator und Goodride haben sich innerhalb kürzester Zeit eine bemerkenswerte Nische im spanischen Reifenmarkt erobert. Ihr Erfolgsrezept? Deutlich günstigere Produkte, die Verbraucher anziehen. Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Laut der National Association of Tire Distributors and Importers (ADINE) stiegen die Importe asiatischer Konsumreifen in Spanien im vergangenen Jahr um beeindruckende 17 %. Dabei war China mit 77 % der 13,4 Millionen importierten Einheiten der unangefochtene Hauptlieferant. Dieser massive Zustrom hat in einem Segment, das insgesamt nur um 2 % wuchs, einen völlig neuen Markt geschaffen, der zuvor fest in der Hand westlicher Top-Marken war.

Michelin in der Defensive: Gewinnrückgang trotz Umsatzstabilität

Der Trend hinterlässt tiefe Spuren, selbst beim französischen Reifenriesen Michelin. Obwohl der Umsatz im vergangenen Jahr mit 3.137 Millionen Euro weitgehend stabil blieb, musste die spanische und portugiesische Tochtergesellschaft einen deutlichen Gewinnrückgang von 17,9 % auf 191,4 Millionen Euro hinnehmen. Auch die Produktion sank leicht um 2 %, nachdem 345.000 Tonnen entsorgt wurden.

Im Lagebericht führt Michelin diese Verlangsamung auf ein Szenario voller “Kontraste und Herausforderungen” zurück und verweist explizit auf die “starke Landung von Reifen ‘Made in China'”. Um dem entgegenzuwirken, setzt das Unternehmen auf eine “Premium”-Strategie: “Trotz des Anstiegs der Importe asiatischer Produkte in mittleren Segmenten hat sich das Unternehmen gemäß der Strategie der Michelin-Gruppe auf die Herstellung und den Verkauf von Produkten mit höherer Wertschöpfung konzentriert, um Umsatz und Marge zu gewährleisten”, heißt es im Bericht. Michelin plant weiterhin Investitionen in moderne, digitalisierte Produktionsstätten, die sich auf margenstarke Produkte konzentrieren, um sich in einem komplexen geopolitischen Umfeld und angesichts möglicher neuer Zölle zu behaupten.

Bridgestone und Goodyear unter Druck: Stellenabbau und Gewinneinbußen

Auch der japanische Hersteller Bridgestone leidet unter der neuen Marktdynamik. Die spanische Tochtergesellschaft Bridgestone Hispania Manufacturing verzeichnete 2023 einen Gewinnrückgang von 27 % auf 18,8 Millionen Euro und einen Umsatzrückgang von 12 % aufgrund geringerer Nachfrage. Die Konsequenzen waren drastisch: Im vergangenen Jahr wurden 420 Arbeitsplätze in den Werken Basauri (Vizcaya) und Puente San Miguel (Kantabrien) abgebaut. Ein Restrukturierungsprozess, der in einem “Expediente de Regulación Temporal de Empleo” (ERTE) im kantabrischen Werk bis März 2026 mündete.

Das Bild ähnelt sich beim japanischen Konkurrenten Goodyear, dessen Gewinn in Spanien um 34 % schrumpfte, nachdem die Einnahmen im gleichen Zeitraum um 8 % zurückgingen. Eine Ausnahme bildet der deutsche Branchenplayer Continental, der in Spanien mit 6,6 Millionen Euro Gewinnen sein Tempo beibehalten und den Umsatz leicht verbessern konnte.

Brüssel im Fokus: Antidumping-Untersuchungen gegen China

Die aggressive Preispolitik chinesischer Reifen ist auch in Brüssel nicht unbemerkt geblieben. Ähnlich wie bei Elektroautos hat die Europäische Kommission unter Ursula von der Leyen vor zwei Monaten eine formelle Untersuchung eingeleitet. Ziel ist es, festzustellen, ob Importe von Reifen für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge aus China von illegalen Subventionen profitieren. Diese Maßnahme ist eine direkte Reaktion auf Beschwerden der europäischen Industrie, die Peking unfaire Wettbewerbspraktiken vorwerfen.

Der spanische Arbeitgeberverband des Sektors, ADINE, sieht in dieser “Antidumping”-Untersuchung ein “Klima der regulatorischen Unsicherheit”. Óscar Blas, Exekutivsekretär von ADINE, warnt: “Angesichts der möglichen Einführung vorläufiger Maßnahmen in den kommenden Monaten deutet alles darauf hin, dass die Importeure Bestellungen vorstrecken werden, um die Auswirkungen möglicher Zölle zu vermeiden, die kurzfristig zu einer zusätzlichen Erholung der asiatischen Importe führen könnten.” Die Zukunft des europäischen Reifenmarktes bleibt somit spannend und die Dynamik der globalen Wirtschaft wird weiterhin eine entscheidende Rolle spielen.


Du möchtest immer die neuesten Nachrichten aus Spanien?
Abonniere unseren Newsletter