
Die Europäische Kommission hat vor dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) ihre Bedenken gegen das umstrittene Amnestiegesetz in Spanien bekräftigt. Am Dienstag erklärte die EU-Exekutive, dass das Gesetz „nicht dem allgemeinen Interesse“ diene, sondern vielmehr Teil einer „politischen Vereinbarung zur Einsetzung der spanischen Regierung“ sei. Diese deutliche Positionierung unterstreicht die Skepsis Brüssels gegenüber der Motivation hinter dem Gesetz.
Carlos Urraca, der Anwalt der EU-Kommission, hob hervor, dass die spanischen Behörden die Empfehlung der Venedig-Kommission missachtet hätten. Diese hatte geraten, „sich die notwendige Zeit zu nehmen, um einen sinnvollen Dialog zu führen, um das beschworene Ziel der Versöhnung zu erreichen.“ Dies deutet darauf hin, dass der Prozess der Gesetzgebung als übereilt und ohne ausreichende Konsultation angesehen wird.
Finanzielle Interessen der EU im Fokus: Puigdemont und Mas betroffen
Die Erklärung der Kommission erfolgte im Rahmen einer Anhörung vor dem EuGH. Dort werden Vorabfragen des spanischen Rechnungshofs geprüft, die sich auf die mögliche Gefährdung der finanziellen Interessen der Europäischen Union durch die Amnestie beziehen. Der Fall betrifft 35 ehemalige hochrangige Beamte der Generalitat, darunter die ehemaligen katalanischen Präsidenten Carles Puigdemont und Artur Mas, die in die Finanzierung des katalanischen Unabhängigkeitsprozesses involviert waren.
Der Kommissionsanwalt betonte, dass derzeit „kein hinreichend direkter Zusammenhang zwischen den fraglichen Rechtsverstößen (der Finanzierung des Verfahrens) und den Eigenmitteln der Union besteht.“ Dennoch ließ Brüssel durchblicken, dass es Sache des Rechnungshofs sei, festzustellen, ob europäische Gelder zur Finanzierung des Unabhängigkeitsprozesses abgezweigt wurden. Die Kommission äußerte die Sorge, dass die im Amnestiegesetz vorgesehene zweimonatige Frist für die Richter zur Anwendung der Regel „verhindern könnte“, dass diese Prüfung gründlich durchgeführt wird.
Dem widersprach Manuel Martín-Granizo, der Generalstaatsanwalt des Rechnungshofs. Er erklärte, dass die zweimonatige Frist es dem Rechnungshof erlaube, diese Angelegenheit „ohne Probleme“ zu überprüfen. Diese Einschätzung wurde auch von der Staatsanwaltschaft und den Anwälten der Angeklagten geteilt. Die unterschiedlichen Ansichten über die Machbarkeit der Überprüfung innerhalb der vorgegebenen Frist zeigen die Komplexität und die rechtliche Brisanz des Amnestiegesetzes.
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