Benidorm am Rande des Bankrotts: Ein 340-Millionen-Euro-Urteil erschüttert die Touristenhochburg

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Benidorm Spanien

Ein zwanzig Jahre alter Rechtsstreit um das Naturschutzgebiet Serra Gelada droht, die Stadt Benidorm in den finanziellen Ruin zu stürzen. Eine astronomische Summe von über 340 Millionen Euro steht im Raum – eine Forderung, die den technischen Bankrott der weltberühmten Touristenmetropole bedeuten könnte. Die Zukunft von fast 75.000 Einwohnern und Millionen von Touristen steht auf dem Spiel.

Der Ursprung des Desasters: Ein Pakt mit weitreichenden Folgen

Die Wurzeln der heutigen Krise liegen im Jahr 2003. Damals schloss die Stadtverwaltung unter dem damaligen Bürgermeister Vicente Pérez Devesa (PP) eine Vereinbarung mit der Eigentümerfamilie Murcia Puchades. Der Deal: Die Familie tritt wertvolle Grundstücke im Gebiet der Serra Gelada ab und erhält im Gegenzug Baurechte in anderen Teilen der Stadt. Ein scheinbar einfacher Tausch, der sich als Zeitbombe entpuppen sollte.

Zwei Jahre später, im Sommer 2005, erklärte die Generalitat Valenciana die Serra Gelada zum ersten maritim-terrestrischen Naturpark der Region. Dieser Schritt schützte zwar eine der ikonischsten Landschaften an der Costa Blanca, verhinderte aber gleichzeitig jegliche Bebauung auf den betreffenden Grundstücken. Für die Familie Puchades änderte dies nichts an der Gültigkeit des ursprünglichen Abkommens. Sie pochten auf die Einhaltung der Vereinbarung, die in den Jahren 2010 und 2013 unter dem sozialistischen Bürgermeister Agustín Navarro sogar noch verlängert wurde.

Vom Stillstand zur Eskalation vor Gericht

Die Jahre vergingen, doch die Stadt kam ihren Verpflichtungen nicht nach. Die Geduld der Familie war am Ende. Sie forderten nicht nur die Einhaltung des Paktes, sondern ließen auch den Wert des Grundstücks schätzen: satte 280 Millionen Euro. Als die Stadtverwaltung weiterhin auf Schweigen schaltete, zog die Familie vor Gericht. Ihr Standpunkt: Benidorm ist rechtmäßiger Eigentümer der Grundstücke, hat aber nie dafür bezahlt. Die Stadt hingegen argumentierte, die Vereinbarungen seien ungültig, da die Grundstücke nie formell abgetreten wurden und die Ausweisung als Naturpark die Grundlage des Deals zunichtegemacht habe.

Nach einem jahrelangen juristischen Tauziehen wendete sich das Blatt. Nachdem die erste Instanz 2021 noch zugunsten der Stadt entschieden hatte, gab der Oberste Gerichtshof der Valencianischen Gemeinschaft ein Jahr später den Eigentümern recht. Ein Verhandlungsangebot der Familie wurde von der aktuellen Stadtführung unter Bürgermeister Toni Pérez (PP) ausgeschlagen, die den Rechtsweg weiterverfolgte – ohne Erfolg. Der Oberste Gerichtshof wies die Einsprüche zurück und brachte eine neue, verheerende Zahl ins Spiel: die Zinsen. Diese belaufen sich mittlerweile auf über 60 Millionen Euro und treiben die Gesamtforderung auf die schwindelerregende Summe von mehr als 340 Millionen Euro. Das ist das Zweieinhalbfache des gesamten städtischen Haushalts.

Was nun? Benidorms Zukunft am seidenen Faden

In einem letzten verzweifelten Versuch hat die Stadt nun das Verfassungsgericht angerufen und eine Aussetzung der Urteilsvollstreckung beantragt. Bürgermeister Toni Pérez räumt offen ein, dass die Zahlung die Stadt in den technischen Bankrott treiben würde. Die Konsequenzen wären katastrophal: Massenentlassungen von städtischen Angestellten, die Einstellung öffentlicher Dienstleistungen und ein irreparabler Schaden für die Tourismus-Hauptstadt Spaniens. Ohne massive Finanzhilfen von staatlicher oder regionaler Ebene wäre die Situation nicht zu bewältigen.

Während die Zinsen täglich weiter anwachsen, tobt in Benidorm ein politischer Sturm. Die Opposition fordert den Rücktritt von Pérez und wirft ihm vor, “dunkle Interessen” verfolgt zu haben, indem er die Vereinbarungen nicht verlängerte. Die Sprecherin der lokalen PSOE, Cristina Escoda, warnt, dass dieses Urteil “die Zukunft mehrerer Generationen” von Bürgern verpfänden wird. Die regierende PP verteidigt sich und argumentiert, man habe auf Berichte reagiert, die eine Annullierung der alten Verträge nahelegten, um nicht selbst ein Verbrechen der Pflichtverletzung zu begehen.

Unabhängig von den politischen Schuldzuweisungen blickt die gesamte Stadt mit großer Sorge auf die Entscheidung des Verfassungsgerichts. Es ist heute ebenso unvorstellbar wie zu Beginn des Jahrhunderts, wie ein einziges Urteil die Verwaltung einer Stadt lahmlegen kann, deren Bevölkerung im Sommer auf über 200.000 Menschen anschwillt und die jährlich Millionen von Touristen empfängt. Benidorms Zukunft hängt an einer einzigen juristischen Entscheidung.


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