Zwei Jahre nach Einführung der Plastiksteuer: Spaniens Kunststoffindustrie kämpft ums Überleben

203
Zwei Jahre nach Einführung der Plastiksteuer: Spaniens Kunststoffindustrie kämpft ums Überleben
Bild: KI

Ein Gesetz mit weitreichenden Folgen

Am 1. Januar 2023 trat in Spanien die Steuer auf Einwegverpackungen aus Kunststoff in Kraft – zwei Jahre später steht die Branche am Abgrund. Während die Maßnahme eigentlich die Nachhaltigkeit fördern sollte, klagen Unternehmen über das Gegenteil: Rechtsunsicherheit, hohe Kosten und einen massiven Wettbewerbsnachteil im Vergleich zu anderen europäischen Ländern.

Spanien ist bislang der einzige EU-Mitgliedstaat, der diese Steuer bereits eingeführt hat. In anderen Ländern wird die Pflicht erst 2026 greifen. Das verschärft die Benachteiligung der spanischen Industrie erheblich, so der Verband der Kunststoffindustriellen Anaip.

Umsatzeinbrüche und Produktionsverlagerung

Die Folgen sind gravierend:

  • Seit der Einführung der Steuer ist die Einfuhr von Kunststofferzeugnissen um mehr als 1 Milliarde Euro gestiegen – zulasten der heimischen Produktion.
  • Der Umsatz der Branche sank 2023 um 2 Milliarden Euro im Vergleich zum Vorjahr – ein Rückgang von rund 10 %.
  • 40 % der Unternehmen mussten über 50.000 Euro allein für IT- und Bürokratiekosten aufbringen.
  • 69 % erwarten für 2025 zusätzliche Belastungen von mehr als 30.000 Euro.

Besonders betroffen sind kleine und mittlere Unternehmen, die 98 % der Branche ausmachen und nicht über die nötigen Ressourcen verfügen, um die neuen Regelungen umzusetzen.

Chaos bei Anwendung und Kontrolle

Nach Angaben von Anaip herrscht in vielen Betrieben Unklarheit darüber, ob ihre Produkte überhaupt steuerpflichtig sind. Rund 70 % der Unternehmen hätten Schwierigkeiten, die Höhe der Abgaben korrekt zu berechnen. Laut Experten ist der Prozess „kompliziert und in vielen Fällen teurer als die eigentliche Steuerzahlung“.

Hinzu kommt: Viele Importeure nutzen Schlupflöcher. Durch unzureichende Zollkontrollen gelangen Produkte mit zweifelhaften Recyclingzertifikaten nach Spanien, was die heimische Industrie zusätzlich unter Druck setzt.

Europäische Dimension: Krise einer ganzen Branche

Die Probleme beschränken sich nicht nur auf Spanien. Auch auf europäischer Ebene schlagen Hersteller Alarm. Der Europäische Verband der Kunststoffverarbeiter warnte gemeinsam mit 28 Organisationen vor einem drohenden Zusammenbruch der Branche.

Die Unternehmen sehen ihre Wettbewerbsfähigkeit massiv gefährdet. Betroffen sind Schlüsselbranchen wie Automobilindustrie, Gesundheit, Landwirtschaft und Bauwesen. Experten warnen, dass diese Krise auch die strategische Autonomie der EU bedroht, da Kunststoffe in unzähligen Alltags- und Industriebereichen unverzichtbar sind.

Fazit

Die Plastiksteuer in Spanien sollte die Umwelt schützen – doch sie hat eine der wichtigsten Industrien des Landes in eine existenzielle Krise gestürzt. Während Unternehmen im In- und Ausland ums Überleben kämpfen, bleibt die Frage offen, ob Europa eine Balance zwischen Nachhaltigkeit und Wettbewerbsfähigkeit finden kann, bevor es zu spät ist.

Folge uns auf WhatsApp für die wichtigsten Nachrichten aus Spanien in Echtzeit.


Du möchtest immer die neuesten Nachrichten aus Spanien?
Abonniere unseren Newsletter