363 Observatorien in Spanien: Von Flamenco bis Brexit – ein System außer Kontrolle?

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363 Observatorien in Spanien: Von Flamenco bis Brexit – ein System außer Kontrolle?
Bild; KI

Ein Observatorium für alles – von Flamenco bis Brexit

In Spanien wächst seit Jahren die Zahl staatlicher und regionaler Observatorien ungebremst. Am Dienstag verkündete Gesundheitsministerin Mónica García die Einrichtung der Beobachtungsstelle zur Prävention des Rauchens. Damit steigt die Gesamtzahl auf inzwischen 363 Observatorien – ein europäischer Spitzenwert.

Die Liste reicht von seriösen Projekten wie dem Observatorium gegen Betrug und Korruption im Gesundheitswesen bis hin zu skurrilen Einrichtungen wie dem Observatorium des Todes in Katalonien oder dem Observatorium für den Brexit in Kastilien-La Mancha.

Aktivist zählt mit – und kritisiert

Verantwortlich für die Dokumentation dieser wachsenden Institutionen ist der Ingenieur Jaime Gómez-Obregón, der sich durch sein Engagement für Transparenz im öffentlichen Sektor einen Namen gemacht hat. Er führt seit März 2024 das „Observatorium der Observatorien Spaniens“, das er mit ironischem Ton kommentiert. Sein Vorwurf: „Niemand kontrolliert das Syndikat der Observatorien.

Gómez-Obregón verweist auf kuriose Beispiele wie das Observatorium Valentín Paz Andrade Lusophony, das die Beziehungen Galiciens zur portugiesischsprachigen Welt untersucht, oder das Flamenco-Observatorium, das die Kultur des andalusischen Tanzes wissenschaftlich begleitet.

Zwischen ernsthafter Forschung und „Geister-Observatorien“

Viele Observatorien erhalten staatliche Mittel und Personal – oft jedoch ohne nachhaltige Wirkung. Kritiker bemängeln, dass zahlreiche dieser Einrichtungen nach pompösen Ankündigungen zu „Geister-Observatorien“ verkommen.

Ein Beispiel: Die 2019 gegründete Beobachtungsstelle für Geschlechtergleichstellung im Kulturbereich investierte in fünf Jahren rund 600.000 Euro, brachte jedoch nur drei Projekte hervor und war in den letzten zwei Jahren inaktiv.

Andere Observatorien dienen wiederum als Argumentationsstütze der Regierung, wie etwa das Spanische Observatorium für Rassismus und Fremdenfeindlichkeit (Oberaxe), dessen Berichte regelmäßig zur Untermauerung politischer Positionen herangezogen werden.

Sánchez setzt auf digitale Rechte

Auch die Regierung selbst treibt die Entwicklung voran: Premierminister Pedro Sánchez kündigte im Februar die Beobachtungsstelle für digitale Rechte an, ausgestattet mit mehr als 360 Experten. Ziel sei der „Kampf gegen Desinformation und Online-Betrug, Förderung digitaler Inklusion sowie ethische Regulierung von KI und Neurotechnologien“.

Spanien als „Weltmacht der Observatorien“

Mit einem sarkastischen Unterton resümiert Gómez-Obregón: „Wir sind eine Weltmacht in Observatorien!“ Tatsächlich existieren Einrichtungen zu nahezu jedem Thema: vom Eisenbahn-Observatorium über das Klimawandel-Observatorium bis hin zu gleich mehreren Observatorien für geschlechtsspezifische Gewalt in verschiedenen Regionen.

Ob jedoch jedes einzelne Observatorium tatsächlich einen Mehrwert für Gesellschaft und Politik schafft, bleibt fraglich – und lässt viele Spanier über Sinn und Kosten dieses „Booms“ diskutieren.

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