Trotz eines Rekordhochs von 21,86 Millionen Beitragszahlern auf dem spanischen Arbeitsmarkt braut sich ein Sturm zusammen, der die Grundfesten der Wirtschaft erschüttern könnte. Die bevorstehende Pensionierungswelle der Babyboomer-Generation droht, eine unüberbrückbare Lücke zu hinterlassen, die nur durch massive Zuwanderung geschlossen werden kann.
Die tickende Zeitbombe: Millionen gehen, wenige kommen nach
Die Zahlen zeichnen ein dramatisches Bild: In den kommenden zehn Jahren werden in Spanien 5,31 Millionen Arbeitnehmer in den Ruhestand treten. Gleichzeitig rücken jedoch nur 1,82 Millionen junge Menschen in den Arbeitsmarkt nach. Diese Kluft zwischen Abgängen und Neuzugängen stellt eine ernste Bedrohung für den Generationenwechsel und die Stabilität der Wirtschaft dar. Ein aktueller Bericht der Adecco-Stiftung verdeutlicht die Dringlichkeit: Die Zahl der Rentner, die Ende Juli bei 9,37 Millionen lag, wird sich in den nächsten zehn Jahren um mehr als 50 % erhöhen und auf über 14,6 Millionen ansteigen.
Einwanderung: Der entscheidende Faktor zur Stabilisierung
In diesem herausfordernden Szenario wird die Rolle ausländischer Arbeitskräfte zum zentralen Rettungsanker. Die Adecco-Stiftung prognostiziert, dass zwischen 2026 und 2035 rund 4,59 Millionen Ausländer nach Spanien kommen werden. Von diesen werden voraussichtlich 2,5 Millionen aktiv am Arbeitsmarkt teilnehmen. Doch selbst diese Zahl reicht nicht aus. Um die Lücke von 3,5 Millionen fehlenden Arbeitnehmern zu schließen, die durch die Pensionierungswelle entsteht, wird eine zusätzliche Million an Arbeitsmigranten benötigt.
Das Paradoxon des Arbeitsmarktes: Fachkräftemangel trotz Arbeitslosigkeit
Ein weiteres Problem verschärft die Lage: Es fehlt nicht nur an Arbeitskräften, sondern auch an den richtigen Qualifikationen. Viele der frei werdenden Stellen erfordern hohe Qualifikationen und langjährige Erfahrung, die nicht immer mit den Fähigkeiten der ankommenden Talente übereinstimmen. “Es gibt ein Missverhältnis zwischen den verfügbaren Fähigkeiten und den Profilen vieler Stellen, die nach der Pensionierung frei werden”, warnt die Analyse. So entsteht das Paradoxon, dass Spanien trotz einer der höchsten Arbeitslosenquoten in der EU unter einem wachsenden Fachkräftemangel in Schlüsselindustrien leidet.
Welche Sektoren sind am stärksten betroffen?
Der demografische Wandel trifft nicht alle Branchen gleichermaßen. Ein Bericht des SEPE (Servicio Público de Empleo Estatal) zeigt, dass strategisch wichtige Sektoren wie die Landwirtschaft, das Gesundheitswesen, die öffentliche Verwaltung sowie die Immobilien- und Textilbranche einen besonders hohen Anteil an Arbeitnehmern über 60 Jahren aufweisen. Weniger betroffen sind hingegen moderne Branchen wie die Telekommunikation, IT oder der Finanzsektor.
Die Ursachen der Krise: Hohe Lebenserwartung und niedrige Geburtenrate
Dieser “perfekte Sturm” für Arbeitsmarkt und Rentensystem ist das Ergebnis zweier langfristiger Entwicklungen. Einerseits hat Spanien mit rund 84 Jahren eine der höchsten Lebenserwartungen in der EU. Andererseits verharrt die Geburtenrate auf einem historischen Tiefstand. Im Jahr 2024 wurden nur etwas mehr als 318.000 Geburten registriert, verglichen mit fast 500.000 im Jahr 2009. Diese demografische Schere führt zu einer rasanten Alterung der Gesellschaft und stellt die finanzielle Nachhaltigkeit des staatlichen Rentensystems auf eine harte Probe.
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