Spaniens Gesellschaft im Wandel: Der Vormarsch der Single- und Paarhaushalte

219
Spaniens Gesellschaft im Wandel: Der Vormarsch der Single- und Paarhaushalte
Image by senivpetro on Freepik

Ein neues soziales Porträt Spaniens zeichnet sich ab. Die traditionelle Großfamilie weicht zunehmend kleineren Lebensgemeinschaften. Aktuelle Daten des Nationalen Instituts für Statistik (INE), Stand 1. Juli 2025, zeigen eine klare Tendenz: Das Leben zu zweit ist mit 29 % die häufigste Wohnform in den 19 Millionen spanischen Haushalten. Doch dicht dahinter, und mit einem rasanten Wachstum, folgen die Einpersonenhaushalte, die mittlerweile 28 % ausmachen. Ein Kopf-an-Kopf-Rennen, das den tiefgreifenden gesellschaftlichen Wandel des Landes widerspiegelt.

Die Zahlen im Detail: Ein Blick auf die spanische Wohnlandschaft

Die jüngste Bevölkerungsstatistik (ECP) liefert beeindruckende Zahlen. Exakt 5.671.919 Haushalte in Spanien bestehen aus zwei Mitgliedern. Ihnen folgen 5.541.399 Haushalte, in denen nur eine Person lebt. Dieser minimale Abstand verdeutlicht eine dramatische Entwicklung: Seit 2014 ist die Zahl der Single-Haushalte um über eine Million gestiegen.

Doch was bedeutet das für die klassische Familie? Eine Studie von Funcas offenbart, dass in 72 % der spanischen Haushalte keine Kinder oder Jugendlichen mehr leben – ein Anstieg von 8 % seit 2012. Die Gründe hierfür sind vielfältig, wie die Soziologin María José Rodríguez von der Universität Alicante erklärt. Einerseits führt das “Auszugsverhalten der Kinder” zu leeren Nestern und somit zu Zwei-Personen-Haushalten. Andererseits spielen soziodemografische Prozesse wie die “freiwillige Kinderlosigkeit” eine immer größere Rolle. Paare entscheiden sich bewusst gegen Nachwuchs.

Auf den weiteren Plätzen der Statistik rangieren Haushalte mit vier oder mehr Mitgliedern (23 %), gefolgt von Drei-Personen-Haushalten, die mit 20 % die seltenste Konstellation darstellen.

Die Gründe für den Wandel: Zwischen Emanzipation und neuen Lebensentwürfen

Der Trend zu kleineren Haushalten ist kein Zufall, sondern das Ergebnis tiefgreifender gesellschaftlicher Veränderungen. María Miyar, Direktorin für Sozialstudien bei Funcas, betont, dass “heute mehr Freiheiten bestehen, weniger Druck in Bezug auf die Notwendigkeit, eine Familie zu gründen, und andere Lebenserwartungen.” Die klassische Vorstellung von Familie, die historisch das Konzept prägte, verliert an Dominanz.

Auch die Zunahme der Einpersonenhaushalte hat neue Ursachen. War es früher primär die Alterung der Bevölkerung und die höhere Lebenserwartung von Frauen, die zu mehr alleinlebenden Senioren führte, sind es heute auch kulturelle Faktoren. “Das Single-Dasein aus freien Stücken”, Paare, die bewusst getrennt leben (LATs – Living Apart Together), oder eine steigende Zahl von Geschiedenen prägen dieses Bild, so Soziologin Rodríguez. Es geht um einen bewussten Lebensentwurf, nicht mehr nur um eine demografische Notwendigkeit.

Regionale Unterschiede: Wo Spanien am liebsten alleine wohnt

Die Verteilung der Haushaltsformen ist in Spanien nicht einheitlich. In ganzen elf autonomen Gemeinschaften ist das Alleinleben bereits die dominierende Wohnform. Dazu gehören unter anderem Asturien, Kastilien und León, das Baskenland und Galicien.

Im Gegensatz dazu bleibt der Zwei-Personen-Haushalt in den bevölkerungsreichen Regionen wie Andalusien, Katalonien, Valencia und Madrid das häufigste Modell. Die Drei-Personen-Haushalte, oft als Übergangsphase für junge Familien mit einem Kind gesehen, spielen landesweit eine untergeordnete Rolle und sind in keiner Region die vorherrschende Lebensweise.


Du möchtest immer die neuesten Nachrichten aus Spanien?
Abonniere unseren Newsletter