
Toledo, eine Stadt mit gerade einmal 86.000 Einwohnern, sieht sich mit einer touristischen Flut konfrontiert. Aktuelle Daten des Nationalen Statistikinstituts (INE) belegen, dass in den ersten sechs Monaten des Jahres fast 300.000 Reisende die historischen Straßen durchquerten. Die Zahl der Übernachtungen zeichnet ein noch drastischeres Bild: eine halbe Million zwischen Januar und Juni. Um diesen touristischen Druck, insbesondere auf das historische Zentrum, zu kanalisieren und das empfindliche Gleichgewicht der Stadt zu wahren, hat der Stadtrat nun eine wegweisende Entscheidung getroffen: die Verabschiedung der ersten städtischen Verordnung in Spanien, die den Tourismus gezielt reguliert.
Überfüllte Gassen und steigende Zahlen: Warum Toledo handeln musste
Das von der Regierungskoalition aus PP und Vox vorangetriebene Gesetz, dessen endgültige Verabschiedung für September geplant ist, zielt darauf ab, das Zusammenleben von Einheimischen und Besuchern zu verbessern und das unschätzbare Kulturerbe zu schützen. Mit über 978.000 verzeichneten Übernachtungen im vergangenen Jahr war der Handlungsbedarf offensichtlich. “Diese Verordnung richtet sich gegen niemanden. Ihr einziges Ziel ist es, eine für Toledo wichtige wirtschaftliche Aktivität zu regulieren, die das Zusammenleben mit den Menschen von Toledo direkt betrifft”, betonte der Tourismusstadtrat José Manuel Velasco. Beruhigend fügte die Stadträtin für Arbeiten und Dienstleistungen, Loreto Molina, hinzu, dass bisher keine Bedenken von Verbänden oder Anwohnern geäußert wurden, was auf eine breite Akzeptanz hindeutet.
Die Kernpunkte der neuen Verordnung: Kleinere Gruppen, klare Regeln und weniger Lärm
Der neue Regelungskatalog definiert besonders überlastete Zonen, wie die berühmte Straße Hombre de Palo oder die Plaza del Consistorio. Hier gelten künftig strenge Regeln. Einer der zentralen Punkte ist die Begrenzung organisierter Touristengruppen auf maximal 30 Personen. In engen Gassen müssen diese Gruppen hintereinander gehen, um Platz für Anwohner, Kinderwagen oder Menschen mit eingeschränkter Mobilität zu gewährleisten. Das Blockieren von Hauseingängen, Geschäften oder Fußgängerüberwegen ist strikt untersagt.
Ein Dorn im Auge vieler Anwohner war der Lärmpegel. Die neue Verordnung verbietet daher den Einsatz von Megaphonen oder Lautsprechern nach 23:00 Uhr. Auch die oft bei “Free Tours” genutzten farbigen Regenschirme als Erkennungszeichen werden verbannt. Der Stadtrat behält sich zudem vor, bei Bedarf Kapazitätsgrenzen für bestimmte Plätze festzulegen oder alternative Routen auszuweisen, um Menschenansammlungen zu entzerren. Bei Nichteinhaltung drohen den verantwortlichen Gruppenleitern empfindliche Sanktionen.
Ein Blick in die Zukunft: Umsetzung und weitere Schritte
Die Verordnung, die sich derzeit noch in der öffentlichen Auslegungsphase befindet, soll im September endgültig verabschiedet werden. Sie umfasst auch die Regulierung des touristischen Zug- und Busverkehrs, der auf jeweils eine Lizenz beschränkt wird. Zudem wird ein neuer Tourismusrat ins Leben gerufen, der den bisherigen Gemeinderat in diesen Fragen ersetzen und die touristische Entwicklung Toledos strategisch und nachhaltig steuern soll. Mit diesen Maßnahmen positioniert sich Toledo als Vorreiter für einen verantwortungsvollen und zukunftsfähigen Städtetourismus in Spanien.
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