In einer ebenso leisen wie kontroversen Entscheidung hat Spanien die Weichen für die steuerliche Erfassung von sexuellen Dienstleistungen neu gestellt. Eine bedeutende Steueränderung in der Nationalen Klassifikation der Wirtschaftszweige (CNAE) erkennt die Sexarbeit nun explizit an – ein Schritt, der im krassen Widerspruch zur aktuellen politischen Agenda der Regierung steht, die auf Initiative der PSOE ein abolitionistisches Gesetz vorantreibt.
Ein neuer Code für ein altes Gewerbe: Die CNAE-Änderung
Bislang mussten Personen, die autonom in der Prostitution tätig waren, ihre Einkünfte unter einer vagen und unspezifischen Rubrik deklarieren: “sonstige persönliche Dienstleistungen” (Code 96.99). Diese Praxis bot zwar Diskretion, schuf aber auch rechtliche Grauzonen. Auf Anweisung der Europäischen Union wurde dies nun geändert. Die neue CNAE-Klassifikation enthält jetzt eine ausdrückliche Kategorie für die “Erbringung oder Vermittlung sexueller Dienstleistungen”. Damit hat Spanien, während es politisch den Kampf gegen die Sexarbeit verschärft, diese wirtschaftlich und steuerlich de facto anerkannt.
Ein stiller Akt mit lauten Folgen
Die Veröffentlichung dieser weitreichenden Änderung im Staatsanzeiger (BOE) am 14. Januar verlief nahezu unbemerkt von der Öffentlichkeit. Vertreter von Prostituierten werfen der Regierung vor, diese von Europa geförderte Neuerung bewusst “verheimlicht” zu haben. Die Plattform “Stop Abolition”, die sich für die Regulierung der Sexarbeit einsetzt, bezeichnet den Vorgang als “bedeutenden Schritt vorwärts in der Normalisierung unserer Tätigkeit”. Gleichzeitig kritisiert die Organisation das “brutale Schweigen”, das die Realität der Prostitution umgibt und zu deren Kriminalisierung beiträgt.
Organisationen wie Amnesty International und Human Rights Watch warnen seit Langem vor der Gewalt und dem Schaden, den eine Kriminalisierung nach sich zieht. Die Erfahrung aus Ländern wie Frankreich oder Schweden zeige die tragischen Folgen polizeilicher Verfolgung. Im Gegensatz dazu hätten Länder wie Belgien und Neuseeland durch den Dialog mit Betroffenen und Experten einen nachhaltigen politischen Konsens erzielt.
Die rechtliche Einordnung durch Experten
Professor für Finanz- und Steuerrecht, César García Novoa, erklärt gegenüber dem Magazin THE OBJECTIVE, dass die Generaldirektion für Steuern in der Vergangenheit Anfragen von Prostituierten zur Registrierung stets ablehnte, da die Tätigkeit als nicht legal galt. “Die Verwaltung antwortete, dass diese Tätigkeit nicht legal sei und nicht der IAE unterliege”, so Novoa. In der Praxis hätten sich jedoch Personen unter alternativen Rubriken wie “Masseure” registriert.
Der entscheidende Impuls kam jedoch von der EU. “Die Europäische Union sagt seit Jahren, dass eine Tätigkeit, auch wenn sie nicht legal ist, der Mehrwertsteuer unterliegen sollte”, erläutert der Steuerexperte. Ein Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union stellt klar: Sobald es sich um eine wirtschaftliche Tätigkeit handelt, ist sie mehrwertsteuerpflichtig – unabhängig von ihrer Legalität. “Unser Rechtssystem wurde an die Aussagen des Europäischen Gerichtshofs angepasst”, so García Novoa.
Mehr Steuereinnahmen für den Staat?
Die Frage, ob diese Änderung nun die Staatskassen füllen wird, spaltet die Meinungen. Professor García Novoa sieht durchaus das Potenzial für Mehreinnahmen: “Es könnte die Botschaft vermittelt werden, dass diejenigen, die diese Tätigkeit ausüben, sie aus steuerlicher Sicht normalisieren müssen.” Die Ausrede, es gäbe keine passende Rubrik, entfalle nun.
Die Plattform “Stop Abolition” ist hingegen skeptischer. Sie erwartet “keinen nennenswerten Einnahmenüberschuss”, da bereits vor der Änderung viele unter anderen Rubriken ihre Steuern gezahlt hätten. Der entscheidende Vorteil sei jedoch nicht der fiskalische Aufschwung, sondern die verbesserte “Klarheit der Kriterien mit dem Finanzministerium und der Sozialversicherung”. Eines scheint jedoch klar, wie García Novoa abschließend bemerkt: “Wenn der langfristige Plan darin besteht, die Prostitution zu verbieten, scheint dies keine Maßnahme in diese Richtung zu sein.”
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