Drohende Anklage gegen Pedro Sánchez: Steht Spanien vor einer beispiellosen Staatskrise?

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Drohende Anklage gegen Pedro Sánchez: Steht Spanien vor einer beispiellosen Staatskrise?
Foto: La Moncloa

In den Korridoren der spanischen Justiz wächst die Besorgnis und die Entschlossenheit. Hochrangige Rechtsquellen bestätigen, dass eine mögliche Anklage gegen Regierungspräsident Pedro Sánchez wegen der zahlreichen Korruptionsskandale, die sein engstes politisches und familiäres Umfeld erschüttern, intensiv geprüft wird. Obwohl schlüssige Beweise für eine formelle Anklageerhebung noch ausstehen, verdichten sich die Indizien und weisen unübersehbar in Richtung des Machtzentrums im Moncloa-Palast.

Ein Netz aus Verdachtsmomenten: Die Fälle, die Sánchez belasten

Die Liste der Affären, die direkt oder indirekt auf den Regierungspräsidenten zurückfallen, ist lang und politisch brisant. Jeder dieser Fälle nährt den Verdacht, dass Pedro Sánchez entweder ein persönliches Interesse verfolgte oder seine funktionale Verantwortung missbrauchte.

  • Die Ermittlungen gegen Begoña Gómez: Die geschäftlichen Aktivitäten seiner Ehefrau stehen im Fokus der Justiz.
  • Die Rettung von Air Europa: Der Vorwurf der Begünstigung bei der millionenschweren staatlichen Hilfe für die Fluggesellschaft wiegt schwer.
  • Öffentliche Aufträge während der Pandemie: Es besteht der Verdacht auf verdächtige Vergaben.
  • Die Landung von Delcy Rodríguez: Die irreguläre Ankunft der venezolanischen Vizepräsidentin wirft weiterhin Fragen auf.
  • Der Fall seines Bruders David: Eine angebliche Vetternwirtschaft bei der Besetzung eines öffentlichen Postens.
  • Ein maßgeschneiderter Lehrstuhl: Die umstrittene Schaffung einer Universitätsprofessur für seine Lebensgefährtin.

Die größte Sorge der Justiz: Der Kongress als politisches Schutzschild

Die eigentliche Furcht der Richter und Staatsanwälte geht über die mögliche strafrechtliche Verstrickung des Regierungschefs hinaus. Sie betrifft die Grundfesten des spanischen Rechtsstaates. Sollte der Oberste Gerichtshof ein formelles Verfahren gegen Sánchez einleiten, müsste der Kongress der Abgeordneten einem entsprechenden Antrag (Suplicatorio) zustimmen. Doch genau hier liegt die Gefahr: Die Regierungskoalition aus PSOE und ihren Partnern verfügt über die Mehrheit und könnte diese nutzen, um jegliche gerichtliche Untersuchung zu blockieren.

“Es besteht die reale Angst vor einer Konfrontation zwischen den Staatsgewalten ohne Präzedenzfall”, zitiert Libertad Digital eine Justizquelle. Ein solches Manöver würde das Verfahren lähmen und Spanien in ein Szenario der institutionellen Straflosigkeit und eines gefährlichen demokratischen Ungleichgewichts stürzen.

Verfassungslücke und drohender Ansehensverlust

Experten warnen, dass die spanische Verfassung keine klare Lösung für einen solchen Konflikt bietet. Die Verbindung zwischen Exekutive und Parlamentsmehrheit macht die rechtsstaatlich vorgesehenen Kontrollmechanismen in der Praxis nahezu wirkungslos. Das Parlament würde nicht mehr die Regierung kontrollieren, sondern als deren juristisches Schutzschild agieren.

Der Fall Air Europa gilt als besonders heikel. Dokumente deuten darauf hin, dass die Entscheidung über die Staatshilfen die Kompetenzen des damaligen Ministers José Luis Ábalos überstieg. Dies legt den Schluss nahe, dass eine solche Entscheidung die Zustimmung oder gar den direkten Impuls des Regierungspräsidenten erforderte. Sollte sich dieser Verdacht erhärten, wäre eine Anklage gegen Sánchez unausweichlich. Wenn die Legislative dann eine Ermittlung verhindert, “wäre das System der Gewaltenteilung ernsthaft beschädigt”, so die einhellige Meinung der befragten Juristen. Das internationale Ansehen Spaniens würde massiv leiden, und das Land als eines dargestellt, in dem institutionelle Kontrollen nur noch Fassade sind.


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