Gesetz des Schweigens: Spaniens Weg in die Autokratie?

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Gesetz des Schweigens: Spaniens Weg in die Autokratie?
Image by Jerzy from Pixabay

Die spanische Regierung hat mit ihrem Vorschlag für ein Gesetz über Verschlusssachen eine heftige Kontroverse ausgelöst. Während es offiziell als Überwindung eines veralteten franquistischen Gesetzes präsentiert wird, sehen Kritiker darin einen gefährlichen Schritt hin zu mehr Undurchsichtigkeit und Machtkonzentration. Dieses Gesetz, das von vielen als ein weiterer Schritt in Richtung Autokratie wahrgenommen wird, schirmt die Exekutive weiter ab, kriminalisiert den Zugang zu Informationen und untergräbt die essenziellen Prinzipien einer offenen Demokratie.

Das Kernproblem dieses Gesetzes ist die fehlende Gewaltenteilung bei der Klassifizierung von Informationen. Es ist der Regierungspräsident oder der zuständige Minister selbst, der entscheidet, welche Informationen als geheim eingestuft werden – und wie lange. Die notwendigen Gegengewichte, wie eine unabhängige Kommission oder eine gerichtliche Überprüfung, fehlen völlig. Das bedeutet, die Behörde, die ein Interesse daran hat, Informationen geheim zu halten, ist gleichzeitig diejenige, die darüber entscheidet. Dies schafft ein Umfeld totaler Willkür.

Ein praktisches Beispiel verdeutlicht die Gefahr: In einem Rechtsstreit gegen die Verwaltung, beispielsweise die Steuerbehörde, könnte diese einfach behaupten, die für die Verteidigung notwendigen Dokumente seien Staatsgeheimnisse. So wird der Staat zur Festung ohne Fenster, und die Bürger stehen ohne die Möglichkeit einer effektiven Verteidigung da.

Internationale Kritik und alarmierende Parallelen

Im internationalen Vergleich steht Spanien mit diesem Gesetz schlecht da. Während in Ländern wie Norwegen, Deutschland oder dem Vereinigten Königreich Vertraulichkeitsfristen von 20 oder 30 Jahren die Ausnahme sind und gerichtlich überprüft werden, können in Spanien Informationen bis zu 60 Jahre lang als „Top Secret“ eingestuft werden. Dies macht das spanische Gesetz zu einem der restriktivsten in ganz Europa.

Noch besorgniserregender ist das geplante Sanktionsregime. Das Gesetz sieht administrative Strafen von bis zu 2,5 Millionen Euro vor. Das ermöglicht es der Regierung, Journalisten, Forscher oder Whistleblower ohne ein gerichtliches Verfahren strafrechtlich zu verfolgen. Ein einfacher Verwaltungsbeschluss könnte ausreichen, um Existenzen zu zerstören. Dies widerspricht eklatant den Standards des Europarats und ist in demokratischen Ländern undenkbar.

Das Gesetz missachtet den Grundsatz des öffentlichen Interesses. Wenn ein Journalist Dokumente veröffentlicht, die Korruption oder Machtmissbrauch belegen, kann er oder sie mit einer Geldstrafe belegt werden, solange die Informationen als geheim eingestuft wurden. Auch der bloße Besitz solcher Dokumente kann sanktioniert werden. Kritiker sind sich einig: Wäre dieses Gesetz in Kraft gewesen, wären viele der jüngsten Korruptionsskandale, die die Regierung erschütterten, nie an die Öffentlichkeit gelangt.

Der stille Widerstand und die Zukunft Spaniens

Die Presselandschaft in Spanien hat dieses Gesetz mit beunruhigender Ruhe aufgenommen, oft indem sie das offizielle Narrativ von „Modernisierung“ und „Anpassung an Europa“ wiederholte. Die kritischen Stimmen bleiben rar, obwohl die Auswirkungen gravierend sind. Dieses Gesetz ist ein tödlicher Schlag für die Transparenz und die Freiheit, und es stellt ein Werkzeug dar, mit dem die Regierung Aktivismus legal unterdrücken, schädliche Ermittlungen zum Schweigen bringen und letztlich die eigene Korruption schützen kann.

Solche Gesetze sind in autoritären Ländern oft der erste Schritt zu subtileren Maßnahmen: die Kriminalisierung von demokratischer Meinungsverschiedenheit und die Verfolgung von NGOs. Der informierte Bürger wird zum Feind des Staates erklärt. Dies steht im Widerspruch zu jeder ernsthaften Definition von Demokratie. Die nationale Sicherheit, die als Vorwand für dieses Gesetz herhalten muss, darf niemals über den Grundrechten und Freiheiten der Bürger stehen.

Dieses Gesetz errichtet eine unüberwindbare Mauer zwischen Bürger und Macht. Es schützt die Regierung vor Kritik und Aufsicht. Es ist ein Akt des demokratischen Rückschritts, der die Bürger in Wehrlosigkeit und Ignoranz stürzt. In Spanien steht die Demokratie auf dem Spiel. Schweigen ist keine Option, denn dieses Gesetz ist ein weiterer Schritt in Richtung einer Autokratie, die sich als Demokratie tarnt.


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