In den ersten Monaten des Jahres 2025 hat sich ein bemerkenswertes Phänomen auf dem spanischen Energiemarkt ereignet: Singapur, eine südostasiatische Insel, die bisher kaum als relevanter Akteur im europäischen Dieselhandel bekannt war, ist unerwartet zum drittgrößten Diesellieferanten Spaniens aufgestiegen. Diese Entwicklung wirft Fragen auf und sorgt für Unsicherheit im Kohlenwasserstoffsektor.
Ein unerwarteter Sprung in die Top 3
Offiziellen Statistiken zufolge exportierte Singapur in den ersten vier Monaten des Jahres 2025 beeindruckende 389.000 Tonnen Diesel nach Spanien. Diese Menge übertrifft bereits jetzt die gesamten Diesellieferungen Singapurs an Spanien in den letzten neun Jahren. Monatliche Importe stiegen von 33.000 Tonnen im Januar auf 141.000 Tonnen im März, bevor sie im April leicht auf 110.000 Tonnen zurückgingen.
Zum Vergleich: Im gesamten Jahr 2024 exportierte Singapur lediglich 103.000 Tonnen Diesel in drei Monaten nach Spanien, und im Jahr 2023 waren es sogar nur magere 24.000 Tonnen. Vor 2015 wurden praktisch keine Mengen importiert. Dieser plötzliche Anstieg hat Singapur an etablierten Partnern wie Frankreich und den Vereinigten Staaten vorbeiziehen lassen. Lediglich Italien und die Niederlande liegen derzeit noch vor diesem neuen, mysteriösen Handelspartner.
Das Gespenst russischer Herkunft
Die auffällige Entwicklung nährt den Verdacht, dass der aus Singapur gelieferte Diesel möglicherweise russischen Ursprungs ist. Branchenexperten warnen seit Längerem davor, dass Länder wie die Türkei, Marokko und eben Singapur als “Hebel”-Gebiete genutzt werden könnten, um russische Raffinerieprodukte nach Europa zu “schmuggeln”. Seit Ende 2022 ist der kommerzielle Handel mit russischem Öl und seinen Derivaten aufgrund der Sanktionen der Europäischen Union, die als Reaktion auf Russlands Krieg in der Ukraine verhängt wurden, verboten.
Bereits im Mai 2023 dokumentierte das Center for Strategic and International Studies (CSIS), dass Öllagerunternehmen und -händler in der Straße von Singapur eine Zunahme von Lieferanten meldeten, die russischen Kraftstoff mischen und reexportieren. Ein Jahr später, im Mai 2024, berichtete Reuters, dass russische Naphtha-Exporte nach Singapur auf Rekordniveau lagen, da sich russische Raffinerien von Drohnenangriffen erholten. Jüngst, im Mai 2025, stellte das Center for Research on Energy and Clean Air (CREA) fest, dass der Anstieg russischer Ölmengen aus China auf vermehrte Schiffstransfers in der Nähe von Singapur und Malaysia zurückzuführen ist, um die Rückverfolgbarkeit durch das Office of Foreign Assets Control (OFAC) zu umgehen.
Ungewisse Zukunft für Spaniens Dieselimporte
Die aktuelle Situation schafft ein undurchsichtiges Bild für den spanischen Dieselmarkt. Während der plötzliche Zustrom von Diesel aus Singapur kurzfristig die Versorgung sichert, bleiben die langfristigen Auswirkungen und die tatsächliche Herkunft des Kraftstoffs ein Rätsel. Die europäische Union ist bestrebt, die Sanktionen gegen Russland aufrechtzuerhalten und eine Umgehung dieser Maßnahmen zu verhindern. Die Entwicklung in Singapur wird daher genau beobachtet werden, um mögliche Lücken in der globalen Lieferkettenüberwachung zu identifizieren und zu schließen. Die Unsicherheit auf dem Markt bleibt bestehen, solange die Herkunft dieses “raffinierten Rohöls” aus Singapur nicht zweifelsfrei geklärt ist.
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