40 Jahre EU-Mitgliedschaft: Wie Europa Spanien verändert hat

1441
Felipe González unterzeichnet den Vertrag über den Beitritt Spaniens zur heutigen EU / Foto La Moncloa

Spanien feiert ein bedeutendes Jubiläum: Am 12. Juni 1985 wurde der Vertrag über den Beitritt Spaniens zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) unterzeichnet, der 1986 in Kraft trat. Dieser historische Schritt markiert nicht nur den Übergang zur Demokratie nach der Franco-Diktatur, sondern auch den Beginn einer bemerkenswerten sozioökonomischen Entwicklung, die Spanien nachhaltig geprägt hat. Von einem Agrarland zu einer führenden Exportmacht – die Reise Spaniens innerhalb der Europäischen Union war dynamisch, herausfordernd und von tiefgreifenden Veränderungen geprägt.

Der Weg nach Europa: Demokratie und Persönliche Bande

Die Legende besagt, dass der Beitritt Spaniens zur Europäischen Union (EU) in erster Linie durch den offensichtlichen Übergang zur Demokratie motiviert war. Während Diktaturen im modernen Europa keinen Platz hatten, spielte auch die enge Beziehung zwischen dem damaligen spanischen Regierungspräsidenten Felipe González und dem deutschen Bundeskanzler Helmut Kohl eine entscheidende Rolle. Die Unterzeichnung des Vertrags am 12. Juni 1985, also vor 40 Jahren, bestätigte nicht nur einen wichtigen politischen Schritt, sondern zeigte auch, wie persönliche Beziehungen und geschmiedete Freundschaften historische Fortschritte ermöglichen können.

Spanien ging Hand in Hand mit Portugal, um dunkle Zeiten der Autokratien und Ausgrenzung hinter sich zu lassen und suchte den Wohlstand in der europäischen Gemeinschaft. Dieser Weg war jedoch keine Einbahnstraße des Erfolgs: Vom anfänglichen Boom über die Dynamik der 2000er Jahre bis hin zur Krise von 2008, der Covid-Pandemie und der Energiekrise erlebte Spanien eine echte Achterbahnfahrt innerhalb der EU.

Wirtschaftsrevolution: Vom Agrarland zur Exportmacht

Ein Blick auf die Daten zeigt die tiefgreifende Transformation Spaniens seit seinem Beitritt zur heutigen Europäischen Union. 1985 war Spanien noch eine Macht im Primärsektor mit einer ausgeglichenen Agrarhandelsbilanz. Der Agrarsektor trug damals fast 7 % zum nationalen BIP bei. Heute sind es nur noch 2,7 %, was einen tiefgreifenden Wandel des spanischen Produktionsgefüges widerspiegelt. Diese Entwicklung ist teilweise auf die Integration in die europäische Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) zurückzuführen, die sowohl Chancen als auch Anpassungen mit sich brachte, wie im Fall des Milchsektors.

Das heutige Bild ist beeindruckend: Im vergangenen Jahr erreichte der Gesamtwert der landwirtschaftlichen Produktion in Spanien 68.340 Millionen Euro und das landwirtschaftliche Einkommen 37.759 Millionen Euro. Spanien erzielte einen historischen Überschuss im Agrar- und Lebensmittelhandel mit Rekordexporten von über 71.000 Millionen Euro. Damit hat sich Spanien als zweitgrößte Exportmacht in diesem Sektor innerhalb der EU etabliert, nur übertroffen von den Niederlanden. Auch im Fischereisektor ist Spanien weiterhin führend in der EU, obwohl die Flotte seit 2000 um fast 30 % reduziert wurde.

Spaniens Finanzieller Wandel: Vom Empfänger zum Zahler

Seit seinem Beitritt im Jahr 1986 hat sich Spanien von einem Nettoempfänger europäischer Gelder – der bis zu 0,8 % seines BIP an Entwicklungshilfe erhielt – zu einem Nettozahler in den letzten Jahren entwickelt. Im Jahr 2023 trug Spanien über 13.500 Millionen Euro zum EU-Haushalt bei und erhielt rund 12.100 Millionen Euro. Gleichzeitig war es mit fast 48.000 Millionen Euro bis 2024 einer der größten Empfänger des “Next Generation”-Fonds.

Das spanische BIP ist seit 1986 von rund 346.000 Millionen Euro auf über 1,5 Billionen Euro im Jahr 2024 gestiegen, was die wirtschaftliche Modernisierung, die zum Teil durch diese Fonds ermöglicht wurde, eindrucksvoll widerspiegelt. Die wirtschaftlichen Vorteile der EWG-Mitgliedschaft waren sofort spürbar: 1986 stieg der Anteil der Gesamtausfuhren in die EWG von 53 % im Jahr 1985 auf 60 %, während der Anteil der EWG am spanischen Einfuhrmarkt von 36 % auf 48 % zunahm.

Meilensteine und Herausforderungen auf dem Weg

Der Beitrittsprozess zu den Europäischen Gemeinschaften begann weit vor Felipe González und wurde bereits unter Adolfo Suárez in die Wege geleitet. Die 1990er Jahre waren geprägt von einem massiven Schub durch wichtige Kohäsionsfonds, die den Ausbau der Infrastrukturen und die Modernisierung des Landes ermöglichten. 1992 symbolisierten die Olympischen Spiele in Barcelona und die Weltausstellung in Sevilla diesen Sprung in die Moderne. Der Vertrag von Maastricht im selben Jahr war entscheidend für die Schaffung der Europäischen Union und der künftigen einheitlichen Währung.

Esteban González Pons, Vizepräsident des Europäischen Parlaments, betont die Bedeutung Europas als “besten Ort der Welt, um zu leben, zu gedeihen und frei zu sein”. Er warnt jedoch auch vor den Herausforderungen außerhalb der Union. Javi López (PSOE), ebenfalls Vizepräsident des Europäischen Parlaments, beschreibt Spaniens Entwicklung in der EU als eine “Erfolgsgeschichte”, die zur Stabilität der Demokratie und zur Etablierung Spaniens als Raum der Toleranz, Freiheiten und Rechte beigetragen hat.

Unter José María Aznar festigte Spanien seine wirtschaftliche Stabilität und machte Fortschritte bei der europäischen Integration. 1999 wurde der Euro als Rechnungswährung eingeführt und 2002 als Bargeld. Spaniens aktive Beteiligung an der EU-Osterweiterung öffnete seinen Arbeitsmarkt. Unter Zapatero standen soziale Fortschritte im Vordergrund, wie die Verabschiedung der gleichgeschlechtlichen Ehe im Jahr 2005, die Spanien als Vorreiter in Bezug auf LGTBI+-Rechte innerhalb der Union positionierte. Der Vertrag von Lissabon 2007 bekräftigte Spaniens Engagement für eine stärkere Integration.

Die Amtszeit von Mariano Rajoy war geprägt von der Wirtschafts- und Finanzkrise. 2012 beantragte Spanien ein europäisches Bankenrettungspaket von bis zu 100 Milliarden Euro. Ein Schlüsselmoment war auch die starke Unterstützung der EU für den spanischen Staat während der politischen Krise in Katalonien im Jahr 2017.

Spanien als Motor der EU: Chancen und Zukunft

Elsa Arnaiz, Gründerin und Präsidentin von Talento para el Futuro, sieht in der EU-Mitgliedschaft “alles” für Spanien und betont die Führungsposition, die das Land heute innehat. Die EU ist für sie “eine Garantie”, die viele Länder nicht haben. Sie sieht “eine goldene Gelegenheit”, die Führungsrolle in den europäischen Werten zu behalten.

Spanien gehört neben Frankreich, Deutschland, Italien und Polen zu den Top 5 der wichtigsten Staaten in der EU. Obwohl seine Führungsrolle nicht vollständig erreicht ist, hat es in letzter Zeit Debatten wie die Reform des Strommarktes vorangetrieben und sich 2020 gemeinsam mit Italien für die Genehmigung des Wiederaufbaufonds eingesetzt.

Daniel Gil, ein auf die EU spezialisierter Analyst, hebt die Bedeutung des Beitritts für die Verringerung der Kluft zwischen Spanien und den anderen europäischen Ländern hervor. Die massiven Investitionen in die Infrastruktur führten zu einem erheblichen Wirtschaftswachstum und zur Internationalisierung der spanischen Wirtschaft. Gil erkennt jedoch auch die Bremswirkung der Krise von 2008 an, von der sich Spanien innerhalb der EU noch nicht vollständig erholt hat.

Die 40 Jahre Spaniens in der EU sind eine Geschichte von beispielloser Transformation, wirtschaftlichem Fortschritt und der Stärkung der Demokratie. Trotz aller Herausforderungen bleibt die Europäische Union ein unverzichtbarer Rahmen für Spaniens Wohlstand und seine Rolle in der Welt.


Du möchtest immer die neuesten Nachrichten aus Spanien?
Abonniere unseren Newsletter